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Löws zweite große Niederlage

2018 25. Juli
von Martin Löschmann

Nun endlich hat sich Özil geäußert und das gleich gut strukturiert, dreimal an einem Tage, am für Christen heiligen Sonntag. Die letzte Wortgruppe meines Auftaktsatzes könnte in diesen Tagen schon als Ausgrenzung gelesen werden: Die Rede ist von einem Moslem, der unseren Sonntag für seinen Auftritt missbraucht. Doch nicht desgleichen ist gemeint, einfach eine leicht ironische Wendung, die womöglich im Falle von Özil jetzt und hier auch nicht angebracht ist.
Solche Skrupel hat der grobschlächtige Hoeneß, seines Zeichens Chef der besten Fußballmannschaft Deutschlands, nicht: Er nennt Özil einen „Alibi-Kicker, der seit Jahren Dreck spielt“. Das ist AFD-Jargon der übelsten Sorte und verdeckte Wahlhilfe für die CSU obendrein. Özil zum Abschuss freigegeben, Özil nunmehr ein verlorener Sohn der Integration, Özil ein Unangepasster, Özil einer mit zwei Herzen, das eine für die Türkei, das andere für Deutschland, Özil ein Instrumentalisierter, ein Ankläger. Ein Aufräumer vielleicht, leider noch nicht, auf jeden Fall aber wird sein Auszug aus der Nationalmannschaft Fol-gen haben, auch personelle im Fußballverband hoffentlich. Das gehört doch zum Spiel des Systems, in dem es zu solchen Eklats kommen kann. Ölzis Botschaften treffen den deutschen Profisport und damit pars pro toto die deutsche Gesellschaft, die beherzte, mitten ins Herz.

Ich will Ölzis Einspruch und Widerspruch nicht im Einzelnen kommentieren, zumal ich den Eindruck habe, seine Äußerungen sind Ausdruck einer ins Mark gehenden Instrumentalisierung seiner Person, die sich fraglos auf ihn diskriminierende Gegebenheiten stützen kann. Da ist ein gezielter Schlag ausgeteilt worden, der sorgfältig vorbereitet worden ist. Der Vater hatte ja schon vor Tagen empfohlen, der Nationalmannschaft Ade zu sagen. Und Herr Joachim Löw will wie Mackie Messer von all dem nichts gewusst haben.

Der Schlag hat gesessen. Der internationale Image-Schaden ist immens, noch wird er kleingeredet, um Schadensbegrenzung bemüht. Doch er ist bereits sichtbar und wird nachhaltig sein. Es ist einfach zu offensichtlich, dass Özil zum Sündenbock gemacht werden soll. Was war denn geschehen?
Gut, dieses Foto mit dem Präsidenten der Türkei ist durchaus problematisch, meinetwegen auch kritikwürdig. Deswegen jedoch ein solches Fass aufzumachen. Kann/muss ich von jedem Mitglied der Nationalmannschaft erwarten, dass es politisch ist. Dass Özil vielleicht unüberlegt gehandelt hat, dass er den Kodex des Verhaltens während eines Wahlkampfes nicht beachtet hat, u.U. auch nicht kennen wollte? Bitte, die Türkei ist immer noch Mitglied der NATO. Reicht das zur Legitimation von Özil nicht?

Mir kommt die ganze Özil-Geschichte bekannt vor: ein Sündenbock muss her. Bierhoff und Grindel sind dafür beredte Beispiele. So wie die Weltmeisterschaft für Deutschland gelaufen war, konnte die Herausnahme seines Führungsspielers durch Löw beim zweiten Spiel gegen Schweden als Verstärker der Sündenbock-Zuweisung verstanden werden. Allein, die Herausnahme könnte auch sportlich begründet gewesen sein. Dass der Trainer, der ja auf jeden Fall auch Pädagoge und Psychologe sein sollte, nicht in der Lage war, seinen Lieblings-Spieler, seinen Führungsspieler, seinen Schlüsselspieler davor zu bewahren, sich derart zu verrennen und missbrauchen zu lassen, ist für mich ein weiteres Indiz dafür, dass Löw auf der ganzen Linie gescheitert ist. Es ist seine zweite schwere Niederlage, die keinen Revanche-Kampf zulässt.

  1. Antonio Marmaras permalink
    Juli 29, 2018

    apropo Oezil,

    Was haben Oezil und herderblog gemeinsam?
    Warum nutzt man herderblog als Informationsbruecke fuer solche Kleinigkeiten?
    Loew und Mueller zeigen sich ganz ueberheblich.
    Toni Gross ist ganz menschlich mit der finanziellen Unterstützung fuer die Rettung der Kinder.
    Mbappe war an vielen Momenten unsportlich.d.h.,ich habe keine Symphatie für ihn.

  2. August 18, 2018

    Das war ein bisschen beschämend.

  3. Günter Markstein permalink
    September 10, 2018

    Hallo Herr Professor,
    eigentlich sind Sie mir als Fußballkommentator nicht bekannt. Ich schätze vor allen Ihren hervorragenden, oft sarkastischen Umgang mit der deutschen Sprache. Deshalb habe ich auch wieder mit großer Freude, wenn auch mit etwas Verwunderung Ihren Löw gewidmeten kritischen Ausflug in die Fußballumwelt gelesen.
    Sie haben Recht. Das haben die Spiele gegen Frankreich und Peru deutlich bewiesen. Löw ist beratungsresistent. Seine alten Fehler wiederholen sich. Offenbar mag er einige Spieler als Stamm für die Nationalelf und einige nicht. Anders sind seine Fehlbesetzungen nicht zu erklären. Im Spiel gegen Peru am 9.September hat er eindeutig Reuss falsch eingesetzt, ihn dann sogar herausgenommen und Draxler gebracht, der in seiner Stammmanschaft zur Zeit wenig positiv auffällt. Werner in die Mitte zu setzen war, wohl auch nicht der richtige Griff. Dass das Spiel dennoch knapp gewonnen wurde, war dem Glück und dem Einsatz der Spieler zu verdanken. Bei Löw ist kein Neuansatz zu erkennen.

  4. Martin Löschmann permalink*
    Januar 8, 2019

    Vor Kurzem bin ich gefragt worden, seit wann mich denn Fußball interessiert.
    Schon seit Langem.
    Gut, Fußball gehört nicht unbedingt zu den Themen dieses Blogs.
    Aber schon die korrupte Behandlung des auf der ganzen Linie gescheiterten Trainers Joachim Löw ist mehr als aufschlussreich für diese Gesellschaft: unverschämt hoch bezahlt, liefert er eine miserable Leistung ab und darf weitermachen.

    Inzwischen stehe ich nicht allein da mit meiner Kritik. Unter der Überschrift
    „Löw hätte nach WM-Desaster gehen müssen“ (SPOX vor 1 Tag, also am 7. Januar 2019)

    „Nach Auffassung einer Mehrheit der Bundesligaprofis hätte Joachim Löw nach dem WM-Desaster im vergangenen Sommer seinen Posten als Bundestrainer räumen müssen.
    In einer anonymen Umfrage des Fachmagazins kicker unter 214 Profis aus dem Oberhaus erklärten 58,4 Prozent, ein Abgang des 58-Jährigen wäre nach dem Vorrundenaus in Russland der richtige Schritt gewesen.“

  5. Martin Löschmann permalink*
    April 4, 2019

    Ein Erfolg gilt es zu vermelden, Reinhard Grindel, DFB-Präsident, ist zurückgetreten.

    Das ist also der Präsident des Deutschen Fußballbundes, der J. Löw, dem Trainer der Nationalmannschaft, den lukrativen Arbeitsvertrag lange vor der Weltmeisterschaft in Russland verschaffte.

    Nachdem Herr Grindel seinen Hut genommen hat, wird ihm u. a. dieser „Kumpel-Vertrag“ zugunsten von Löw mit Recht angekreidet. Man muss sich aber schon fragen, warum die jetzt neunmal Journalisten und Journalistinnen nicht schon früher ihre Schreibgeräte in Bewegung setzten.

    Seine Mandate als DFB-Präsident bei der Uefa bis 2021 und bei der Fifa bis 2023 will Grindel vorerst nicht aufgeben. Warum auch, verdient er doch in diesen Gremien rund eine halbe Million im Jahr.

    Als Präsident des Deutschen Fußballverbandes untragbar, als Vertreter in den internationalen Verbänden tragbar.
    Man sieht als Laie mit Krückstock, da ist noch viel aufzuarbeiten!

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