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Endlich eine hoffnungsvolle menschliche Reaktion

2015 12. Oktober
von Martin Löschmann

Da schreibt man sich die Finger wund, besser vielleicht heute: da klopft man sich die Finger wund, schreibt sogar einen persönlichen Brief an B.W., so wird die Person in den „Unerhörten Erinnerungen eines Sonstigen“ genannt, doch keine Reaktion, Totenstille.
Übrigens gilt das nach wie vor für alle, die mich ins ‚Wende-Fegefeuer‘ schicken wollten, und im Buch allerdings nur mit abgekürzten Namen prangen. Eine verständliche Forderung des Verlags.

Welch eine Überraschung nun im Zusammenhang mit der
Lesung von Corinna Harfouch am 12. November im Schumann-Haus in Leipzig.

Über zig Ecken erfahre ich, dass B.W. zugibt, in meinem Buch gelesen zu haben. Das verdient auf jeden Fall erst einmal Anerkennung, erst recht die kritische Anmerkung. Danach hätte ich geschrieben, „sie habe als Deutschlektorin in Kuba gearbeitet, was sie auch gern getan hätte, aber sie sei nur mitreisende Ehefrau gewesen.“

In der Tat schreib ich auf S. 215, dass B.W. als Mitglied der sogenannten Ehrenkommission insofern befangen war, als sie Auslandslektorin war. Diese Bezeichnung mag im ersten Moment nicht zutreffend sein, aber auch als mitreisende Ehefrau war B.W. natürlich allen leidigen Überprüfungsprozeduren in der DDR unterworfen, die für Reisen nach Kuba galten, ganz gleich, ob Lektorin oder mitreisende Ehefrau.
Aber es kommt noch besser, viel besser, denn unter der Adresse http://www.uni-leipzig.de/ herder/ temp/lehrende/wotjak/Info/cv.htm
erfährt man Folgendes:
„1976-1980 planmäßige Aspirantur (Betreuer: Prof. Dr. sc. Dr. hc. G. Helbig); Begleitung des Ehemannes (der als Gastprofessor an der Universität Havanna tätig), nach Kuba; Erteilen von Spanisch- und Deutschunterricht; Beteiligung an Kolloquia der Universität Havanna.“
Über jeden Zweifel erhaben: Ohne Zustimmung der zuständigen DDR-Behörden hätte B.W. in Kuba nicht arbeiten dürfen.

Fazit:
B.W.ist als mitreisende Ehefrau nach Kuba gekommen und hat dann in Kuba auch als Deutschlektorin gewirkt.
Ich denke, so viel Freiheit muss man einem Memoirenschreiber gestatten, der im Wesentlichen ohne Aufzeichnungen arbeitet.
Für wahr, Frau B.W., dass Sie als mitreisende Ehefrau nach Kuba reisten, können Sie nicht als garstige Benachteiligung reklamieren, geschweige denn als Ausdruck Ihrer Nonkonformität (oder als was auch immer) werten.
Die Realität ist oft komplexer, als wir sie gelegentlich gern hätten.

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