Ein Schelm, wer Arges dabei denkt
Ich weiß, der authentische Spruch ersetzt Arges durch Böses.
„Honi soit qui mal y pense.«, heißt er bei Google. Nur bei mir hat sich halt Arges festgesetzt.
Wer hätte das gedacht, eine wirklich abgewetzte Wendung, die mir wieder einmal einfiel, als ich davon hörte, dass China der Geburtsstadt von Karl Marx, zu dessen 200. Geburtstag am 5. Mai eine über 5 Meter hohe Karl-Marx-Statue schenkt, schon geschenkt hat, denn sie ist am 1. Mai, an dem diese kargen Zeilen geschrieben werden, schon am Bestimmungsort. So richtig witzig fand ich dabei, der Künstler Weishan Wu wird befragt, ob der nachdenkliche Marx im Gehrock auf einem runden oder eckigen Sockel stehen soll. Der Künstler antwortete, ohne zu zögern: ein runder Sockel. Ich selbst hätte traditionsgemäß für einen eckigen plädiert, aber ich werde die Entscheidung des Künstlers respektieren, schließlich hat sich der Trier Stadtrat mehrheitlich für das Monument ausgesprochen, das unweit der Porta Nigra mit dem runden Sockel als Eigenleistung aufgestellt werden soll.
Karl-Marx-Denkmäler gibt es in Deutschland wie auch anderswo, aber von einem Chinesen konzipiert nur in der Porta-Nigra-Stadt.
Ich erinnere mich noch gut an die Wende, da wurde Marx zum Unrat erklärt. Man durfte den Namen nicht in den Mund nehmen. Marx ein Anlass zur Stigmatisierung. Das musste auch Sahra Wagenknecht erfahren, die sich zu dieser Zeit an der Uni mit Marx wissenschaftlich beschäftigte und ihre Abschlussarbeit über Hegel und Marx am Ende des Studiums nicht an der Humboldt-Universität verteidigen durfte. Die Reichsuniversität in Groningen indes machte es möglich. Übri-gens, haben Sie das gewusst? Frau Wagenknecht durfte in der DDR nicht studieren. (Einen Tag später bietet Spiegel Online ein Quiz anlässlich des Geburtstages von Marx an: Kennen Sie Ihren Marx?. Ich beantworte alle 16 Fragen richtig und bekomme einen mitteilenswerten, weil humorvollen Kommentar, wonach man gar nicht erwartet habe, dass sich Frau Wagenknecht diesem Quiz unterziehen würde.)
Jahrzehnte bin ich am Bronze-Relief „Aufbruch“, in das Karl Marx integriert ist vorbeigegangen, -gelaufen, -gehastet, -gerannt, -geschlichen. Es gab eigentlich keinen triftigen Grund gerade die Leipziger Universität mit dem Namen dieses Philosophen zu beschweren. Ich hätte schon Verständnis gezeigt, wenn das Kunstwerk in irgendeinem Archiv verschwunden wäre. Doch nein, seit 2008 kann man es mit einem Erläuterungstext am Campus Jahnallee beachten, besichtigen, betrachten, bewundern, bestaunen, beurgrunzen – beschmieren, besudeln. Also noch einmal: Wer hätte das gleich nach der Wende gedacht.
Karl Marx lässt sich nicht vom Sockel stoßen, zum toten Inventar in Archiven totschweigen. Braucht es noch weiterer Belege? Vielleicht doch:
die mit Sockel über 13 Meter hohe Plastik (‚Nischel‘) in Chemnitz mit dem bekannten Text aus dem „Kommunistischen Manifest“ Proletarier aller Länder vereinigt euch!, das Kuriosum in Fürstenwalde: erst Bismarck, dann Marx, die Gedenktafel wird gestohlen, was tun? – zurück zu Bismarck? Nein, seit 2003 ist wieder Marx zu sehen.
Wie viele Male mag ich inzwischen am Marx-Engels Denkmal mit dem Fahrrad, heutzutage mit einem Faltrad, vorbeigefahren sein. Gut, das interessiert keinen, aber vielleicht, dass es 2010 versetzt wurde und seither schauen MARX und ENGLS gen Westen, nicht wie noch zu DDR-Zeiten nach Osten.
Man kann Arges dabei denken, muss es aber nicht.
Zweiter Schluss. Marx und Engels schauen in Berlin nunmehr gen Westen und verkünden mit Elmar Altvaters Arbeit: „Das Ende des Kapitalismus, wie wir ihn kennen“*.
* Verstarb im Jahr des 200. Geburtstages von Marx