Missverständnis Kurssprache
Ich weiß nicht, ob es Thomas Chr. Dahme freuen wird, wenn ich bekenne, dass ich seine „Sprachschule“ bei Seminaren zur deutschen Fachsprache gern als Einstieg gewählt habe, selbstredend mit der Nennung seines Namens. Die Seminarteilnehmer und -teilnehmerinnen, Germanisten und Deutschlehrer z.B. in Russland, sollten das jeweilige Kompositum mit ‚Sprache‘ einsetzen. So wie es die erste Zeile vorgibt.
Sprachschule
Ich werde vernachlässigt, sagte die Aussprache.
Ich setze mich für andere ein, sagte die ……………………………………….
Ich bin gebildet, sagte die ………………………………………………………….
Wie bin ich feierlich, sagte die …………………………………………………..
Ich gebe ein Zeichen, sagte die …………………………………………………..
Nur wenige verstehen mich, sagte die …………………………………………
Ich werde mangelhaft beherrscht, sagte die …………………………………
Ich werde manchmal noch verweigert, sagte die……………………………
Nicht einmal mit mir können viele richtig umgehen, sagte die ……..
(Fürsprache, Hochsprache, Ansprache, Zeichensprache,
Fachsprache, Fremdsprache, Mitsprache, Umgangssprache)
Das Wort Kurssprache, in unserer Überschrift signalisiert, ist nicht dabei. Seltsam, warum fiel mir gerade Dahmes „Sprachschule“ ein, als ich vor ein paar Tagen Deutschlehrbücher für Integrationskurse durchblätterte und dabei rein zufällig auf eben diesen Begriff stieß: Kurssprache. Vielleicht weil ich stutzte und bestürzt war. Assoziationen gehen manchmal seltsame Wege… von Eulen zu Euler ist es nicht weit.
Klar, Kurssprache ist zunächst die Sprache in einem Kurs – Die Kurssprache ist Englisch, heißt, im Kurs/im Seminar etc. wird Englisch gesprochen, nicht die Muttersprache. Korrekte Bezeichnung. Doch diese Bedeutung ist in dem zur Hand genommenen Deutschlehrbuch nicht gemeint; denn in Integrationskursen ist die Unterrichtssprache zugleich Zielsprache, also Deutsch.
Kurssprache versteht sich in dem beschriebenen Kontext als Mittel der Unterrichts-, Arbeits- und Lernorganisation. Sie ist somit ein notwendiges Vehikel, sich über bestimmte Sachverhalte zu verständigen und Handlungsanweisungen zu formulieren. Im vorwiegend zielsprachlich geführten Unterricht sind Handlungsanweisungen, Erklärungen, metasprachliche Hinweise unabdingbar, die nicht direkt der Entwicklung von Fertigkeiten der alltäglichen Kommunikation dienen.
Aber dazu braucht man keine Kurssprache zu etablieren. Kurssprache als Teil des Lernwortschatzes aufzuführen, ist zumindest irreführend. Erst recht, wenn man z.B. in Schritte plus 1. Kursbuch + Arbeitsbuch. Niveau A1/1 (Ismaning: Hueber, 2013, S. 95) Wörter findet wie: Beispiel, ansehen, antworten, fragen, schreiben, spielen, zeigen, noch einmal. Was für ein Verwirrspiel! Diese Wörter sind doch eindeutig Wörter der Alltagssprache, gehören zum Grundwortschatz.
Eine Begriffsprägung wie die obige lenkt ab von der eigentlichen Zielstellung, der Vermittlung und Erarbeitung von Sprache als Kommunikationsmittel, als wesentliches Mittel der Integration von Flüchtlingen, Asylanten, Migranten. Das Kompositum Kurssprache kann da nur als abschreckendes Signal verstanden werden Oh Schreck, oh Weh! Man muss eine Kurssprache lernen! Ein aufgeweckter Lernender könnte sich fragen: wozu, wozu?
Meine Güte, da hat man sich sein Leben lang mit der kommunikativen Orientierung, dem communicative approach im Fremdsprachenunterricht beschäftigt und mitgeholfen, ihn im DaF-Unterricht durchzusetzen, und muss nun erleben, dass das Lernen einer Kurssprache als Bestandteil eines Lehr- und Arbeitsbuches eingeführt wird.
Mir scheint die Angabe einer Zielgröße Kurssprache in Deutschlehrbüchern ebenso problematisch wie die Aufnahme von fehlerhaften Texten in Deutschlehrbüchern. Jeder Deutschlehrer, jede Deutschlehrerin weiß, der Unterricht, das Lernen selbst erzeugt genügend Texte mit Fehlern, die man korrigieren muss bzw. von Mitlernenden korrigieren lassen kann. Im Lehr- und Arbeitsbuch sind solche Texte schlicht eine Vergeudung von Papier.
Kurzum in ‚Klarsprache‘: Sprachkurse bedürfen keiner Kurssprache.
… Fehlerhafte Texte in Lehrwerken müsste man insofern differenzierter sehen, da in der Prüfung „Goethe-Zertifikat“ B2 ausdrücklich gefordert wird, einen fehlerhaften Brief zu korrigieren. Es handelt sich also um einen Aufgabentyp, der sprachliche Bewusstheit schulen bzw. testen will. Folglich muss es dann Übungsaufgaben im LW geben.
Abgesehen davon, dass man seine Zweifel haben kann, ob ein solcher Prüfungsteil überhaupt sinnvoll ist, kann ich trotzdem nicht ganz zustimmen. Fehlerhafte Texte werden in Lehr- und Lernpraxis ständig generiert, wozu dann noch solche Texte im Lehrbuch. Wenn aber gemeint wird, man müsse ganz bestimmte Fehlerquellen bearbeiten, damit die Lernenden den besagten Prüfungsteil bestehen, ja dann könnten natürlich gezielte Vorgaben aus dem Buch hilfreich sein. Doch stellt sich die Frage erst recht, wieso sollen die womöglich für die jeweilige Gruppe untypischen Fehler besprochen und Anlass zum Üben werden.
Aber gut, die Fehlerpräsentation in Lehrbüchern ist nur ein Nebenschauplatz, wichtig war mir dieser Abweg ‚Kurssprache‘, der sich für mich geradezu potenziert in dem neuen Lehr- und Lernwerk „Linie“, kürzlich erschienen bei Klett/Langenscheidt. Dort wird mitten im Kurs, in der achten Lektion, ein Kursfest gefeiert. „Hallo, Pablo, viele Grüße vom Kursfest. Das Essen ist super …“
Man fragt sich unwillkürlich, was soll denn Mitten im Kurs eigentlich gefeiert werden. Kein Bergfest, kein Abschlussfest, einfach so: eine Kursgeburt beflissener Lehrbuchautorinnen und -autoren, die in der realen Kommunikationswelt keine Entsprechung hat. Solche Kreationen sind für mich genauso abwegig wie eine spezifische Kurssprache.