Karasek bleibt Karasek (81)
Es gehört kein Bekennermut dazu, um festzustellen, dass ich kein Bild-Leser bin, geschweige denn ein Schreiber für dieses Blatt. In die Sonderausgabe vom 1. Oktober „Bild feiert 25 Jahre Wiedervereinigung“ habe ich allerdings hineingeschaut, sie war kostenlos in unseren Briefkasten geraten. Beim Durchblättern stieß ich auf Dr. Helmuth Karaseks Empfehlungen der 25 Bücher (aus deutschsprachiger Literatur), „die jeder gelesen haben muss“. Darunter die wirklich lesenswerten: 1 Die Blechtrommel, 2 Der Prozess, 3 Effi Briest, 4 Die Deutschstunde, 7 Steppenwolf, 10 Der Zauberberg, 16 Die Buddenbrooks, 20 Der Vorleser,23 Jeder stirbt für sich allein, 25 Wunschloses Unglück.
Niemand wird die Schwierigkeit des eigentlich nicht machbaren Unterfangens geringschätzen, zumal ja keine Auswahlkriterien mitgeliefert werden. Es gilt halt der Vorschlag des‘ kleinen Literaturpapstes‘ (klein im Vergleich zum großen Literaturpapst Reich-Ranicki). Abgesehen von meiner generellen Skepsis gegenüber solchen Kanons muss natürlich einem ehemaligen ‚gelernten‘ DDR-Bürger ins Gesicht springen, dass sich unter den 25 Werken nicht eines aus der DDR findet. Und das in einer Sonderausgabe anlässlich des 25. Jahrestages der Wiedervereinigung! Oder müssen wir zufrieden sein, dass es ja, ein gewiss lesbares Buch über die DDR gibt? 21 Der Turm von Uwe Tellkamp.
Zur Auswahl hätten z.B. gestanden: Christa Wolf: Der geteilte Himmel, Nachdenken über Christa T, Hermann Kant: Die Aula, Der Aufenthalt; Ulrich Plenzdorf: Die neuen Leiden des jungen W.; Jurek Becker: Jakob der Lügner. Erwin Strittmatter: Der Laden – oh Gott, das sind ja drei Bände, die passen nicht in den gesetzten Rahmen.
Leider können wir Herrn Karasek nicht mehr fragen, welcher Rahmen ihm vorschwebte. Er ist am 29. September gestorben.