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Libyer kommen

2011 19. November
von Martin Löschmann

Kurz vor der Reise nach Tomsk am 25. Oktober 2011, wo ich an der Universität für Architektur und Bauwesen zum ersten Male einige Seminare in Englisch gestalten werde, und zwar zu dem Thema „English für Special Purposes“, sitze ich am Frühstückstisch mit Blick auf den Wasserturm in der Knaackstraße/ Prenzlauer Berg zu Berlin: Kaffee mit Milch, die Bohnen frisch gemahlen, ihr Duft aus dem Automaten noch in der Nase, ein Frühstücksei, hart gekocht, die letzte Kaviarbüchse aus Russland vom vorherigen Einsatz auf dem Tisch, ein Fässchen Butter, paar Scheiben Käse, Konfitüre vom Feinsten – Herrenkonfitüre von Schwartau, ein Baguette. An dem Frühstücksarrangement gibt es nichts zu beanstanden. Die bekannte Zeile aus Christoph Heins „Der fremde Freund“ fällt mir ein: Mir geht es gut.

LibyenlandkarteZum Frühstück gehört der Deutschlandfunk wie das Amen in der Kirche, viel Text früh, wenig Musik, informativ, meist solide recherchiert; wenn Informationsradio, dann Deutschlandfunk. Die Zahl 26000 Anflüge auf Ziele in Libyen lässt unser dahin plätscherndes Gespräch abrupt abstürzen. Die NATO beendet ihre Flugeinsätze und lässt eben diese unglaubliche Zahl stolz der Welt verkünden. Den schmalen Küstenstreifen vor Augen – wenn man die Wüste nicht rechnet, ist es territorial wirklich eher ein kleines Land, gewiss durch die Erdölproduktion auch ein Land der Begierde. Was haben diese 26 000 Flüge von dem Land übrig gelassen? Die Zahl will nicht aus meinem Kopf, gewiss nicht alle Flüge waren Kampfeinsätze (etwa 10 000), aber über 50 000 Bomben, Raketen und Cruise Missiles sollen den Küstenstreifen überzogen haben. Die Zahl schlägt global auf mich ein und überdeckt den Einzelfall, das individuelle Schicksal, die unschuldigen Opfer, deren Zahl an diesem Morgen nicht genannt wird. Als Kriegskind vermag ich mir jeden einzelnen militärischen Anflug und seine Folgen auszumalen, habe ich doch solche Anflüge auf die Kreisstadt Bütow 1945 (heute Westpolen) erlebt. Von einem der scheinbar aus dem Nichs auftauchenden einzelnen russischen Kampfflugzeuge wurde mein Vater von einem Bombensplitter getroffen – etwa sieben Kilometer von der Kreisstadt entfernt, der die Flüge galten. Wie ein Wunder zeriss der nur seine Winterjoppe. Leider hielt das Wunder nicht lange vor, Wochen später wurde er auf einem zivilen Gefangenentransport erschossen. Die Zahl 26 000 werde ich in Gesprächen auch in Russland geradezu gebetsmühlenartig wiederholen. Zur Hoch-Zeit des Behaviorismus hieß es, man müsse einen sprachlichen Ausdruck nur häufig genug wiederholen, dann präge er sich schon ein, ein irrwitziger Glaubenssatz, der in der Didaktik des Fremdsprachenunterrichts in West und Ost in den 60er Jahren zelebriert wurde. Pädagogisch war die ständige Wiederholung dieser mich quälenden Zahl 26000 nicht motiviert, eine Art Provokation könnte es gewesen sein, weshalb ich auch nicht überrascht war, dass ihre stereotype Wiederholung gelegentlich Unmut erzeugte. Die Zahl sei nicht der Punkt bei der militärischen Unterstützung der Aufständischen aus dem Norden Libyens. Die NATO habe doch ihre Flüge auf militärische Ziele gerichtet, zivile Opfer seien verhältnismäßig gering geblieben, bestenfalls Kollateralschaden. Was die Zerstörungen von Städten und der Infrastruktur anginge, so sei Libyen durch das Erdöl reich genug, um alles schnell wieder aufbauen zu lassen. Erdöl heilt schnell Kriegswunden. Ein neuer Slogan? Zynisch?

Mit der Zahl 26 000 versammeln sich um unseren Frühstückstisch urplötzlich Libyer, die am Herder-Institut Anfang der 80er Jahre einen neuen Entwicklungsabschnitt eingeläutet hatten, nämlich den der Ausbildung auf kommerzieller Basis, die eingebettet war in den verstärkten Export „immaterieller Güter“ durch die DDR in dieser Zeit. Ich habe die Teilkommerzialisierung in dem Beitrag „Herder-Institut in Zeit und Raum“ kurz skizziert, auch geschrieben, dass nicht alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter davon begeistert waren und die Realität wahrnehmen wollten. Die DDR konnte sich die bis dato weitgehend kostenlose Ausbildung ausländischer Studierender nicht mehr leisten, brauchte ganz einfach Devisen, wie es in ihrer Sprache hieß, konnte vor der Ausbildung ausländischer Studierender nicht halt machen. Und die libysche Regierung unter Gaddafi zahlte gut, stellte dafür aber auch glasharte Forderungen, die wiederum einigen nicht behagten, unseren damaligen Direktor Prof. Dr. habil. Erhard Hexelschneider eingeschlossen. So sah der auf Regierungsebene ausgehandelte Zahlungsmodus vor, dass quartalsweise die fällig gewordenen Dollar flossen, allerdings hatte die libysche Seite vor den Zahltag den Besuch durch eine kleine Kommission gesetzt, die zur gegebenen Zeit aus der libyschen Botschaft zu Berlin anreiste und die Erfüllung der Vertragsbedingungen prüfte. Die Kommission unter Leitung eines kräftig untersetzten Offiziers, wohl mindestens im Range eines Oberst, fand eigentlich immer etwas zu beanstanden, so dass kaum pünktlich gezahlt wurde: einmal war es das DDR-Magazin mit der monatlichen Aktzuteilung, das ein Lehrer oder womöglich sogar der Leiter der sprachlichen Vorbereitung libyscher Studierender einem Studierenden gegeben hatte, der das Heft verständlicherweise blitzschnell kursieren ließ, ein anderes Mal waren es die Handtücher, die nicht jeden Tag gewechselt worden waren. Der Höhepunkt der Beanstandungen: 20 – 30 Kakerlaken, die der Oberkontrolleur eines Tages, genüsslich von oben herab lächelnd, dem Direktor vor Nase und Augen hielt. Die Studenten hätten sie in der Mensa, aber auch in ihren Schlafräumen gefangen und ihm überreicht. Gezahlt würde erst, wenn den Studenten kein Fang mehr gelänge. Nahm seine Offiziersmütze, die majestätisch vor ihm lag, und verschwand. Gut, man hätte sich ein diplomatischeres Auftreten vorstellen können, ich persönlich aber fand die Forderungen in jedem Fall berechtigt.

Die Marktwirtschaft drängte in die Institutsstuben. Fakt war, die Heime für ausländische Studierende gehörten nicht gerade zum Aushängeschild der Karl-Marx-Universität in Leipzig. Und es war einfach eine Freude mit anzusehen, wie es binnen kürzester Frist gelang, das Ungeziefer unsichtbar zu machen. Richtig: Für Dollar tun sie alles. Wie der Herr, so’s Gescherr. Bescheiden traten die libyschen Studenten nicht gerade auf und waren wegen ihres zum Teil arroganten Auftretens unter den Mitarbeitern, aber auch unter anderen Lernenden nicht besonders beliebt. Mit je ungefähr rund 2300 Dollar pro Monat ausgestattet, konnten sie sich in der DDR ein Leben in Saus und Braus gestatten, erst recht, wenn sie sich des leicht zugänglichen Schwarzen Marktes bedienten oder in Westberlin ihre Dollar in Mark der DDR zu einem mehr als günstigen Kurs umtauschten. Wie sollte man da als junger Mensch nicht die Nase hochtragen. Die Summe bekam offensichtlich jeder Student, der im Ausland studierte.

LibyenViele der libyschen Studenten waren stolz auf ihr Heimatland und kehrten fast durchweg nach Abschluss des Studiums zurück. Ihr Stolz trug gelegentlich durchaus „nationalistische“ Züge, zumindest war bei einigen ein bestimmtes Sendungsbewusstsein beobachtbar, das sich am Grünen Buch festmachte. Sie kamen nicht in die DDR, um ein sozialistisches Land kennen zu lernen, schon eher, um das Gedankengut des Grünen Buches zu verbreiten, gewissermaßen ihres Verfassungsersatzes. Die Verkündung einer dritten Universaltheorie, also eines dritten Weges, konnte der DDR jedoch nicht behagen. Kritik am Kapitalismus ja, aber doch nicht am sozialistischen System. Das Buch wurde zwar nicht auf den Index am Institut gesetzt, aber doch wegen seiner geringen Argumentationskraft und Widersprüchlichkeit arg belächelt. Als Ganzes war es nicht ernst zu nehmen, Einzelpassagen schon eher, z.B. die zur Besserstellung der Frau, das Bemühen um die medizinische Versorgung, die Wertschätzung der Bildung. Was Gaddafi seinem Land bot, war damals in der Tat beachtlich. So erhielten Absolventen, die nicht gleich Arbeit auf ihrem Fachgebiet fanden, vom Vater Staat, meinetwegen auch vom Gaddafi-Clan, das durchschnittliche Gehalt der jeweiligen Berufsparte. Keine Frage, für die Bildung wurde in diesem Land viel getan. Die Alphabetisierungsrate stieg auf 88% von rund 20 %, nachdem Gaddafi sich an die Macht gebracht hatte. Weitere Stichworte: Höchstes Prokopfeinkommen in Afrika, eine relative hohe Lebenserwartung (mit rund 77 Jahren immerhin Position 57 in der Welt), geringe Arbeitslosigkeit, ein Wirtschaftswachstum zwischen 5-6 %, keine Zinsen auf Kredite, kostenloser Strom, Garantie eines Daches über den Kopf, finanzielle Unterstützung von Frischvermählten in Höhe von 50 000 Dollar, unentgeltliche medizinische Behandlungen, kostenlose Bereitstellung von Ackerland plus Bauernhaus, Geräte, Saatgut und Vieh als Startbonus, Subvention eines Autokaufs zu 50 %, Benzinkosten 10 Cent.*

Im Laufe der 10 Jahre, in denen ich in Tomsk im Rahmen des SES, des DAAD und von Einladungen der Tomsker Staatlichen Universität für Architektur und Bauwesen Seminare zu Deutsch als Fremdsprache und nun auch zu English for Special Purposes durchgeführt habe, bin ich eigentlich nur zweimal mit politisch brisanten Fragen konfrontiert worden. Diese zwei Male können beileibe nicht den Eindruck erwecken, dass meine Seminarteilnehmerinnen und die ganz wenigen männlichen Teilnehmer politisch besonders interessiert seien. Das Gegenteil ließe sich eher behaupten. Doch beim Überfall Georgiens auf Südossetien im August 2008 (im Oktober war ich in Tomsk) war es anders: Hier kam ich um eine Stellungnahme nicht herum, weil Russland anfänglich zum Aggressor gestempelt worden war. Sie war indes insofern nicht so problematisch, als sich klar herausgestellt hatte, der Fünftagekrieg im Kaukasus war ein militärischer Konflikt zwischen Georgien und Russland, bei dem es um Südossetien und Abchasien ging. Man konnte es drehen und wenden, wie man wollte, am 8. August hatte die georgische Armee versucht, Südossetien durch eine militärische Offensive zu erobern. Russland, mit Südossetien und Abchasien verbunden, griff ein und bekämpfte die georgische Aggressionsarmee bis tief ins eigene Land. Ein Waffenstillstand beendete den militärischen Konflikt. Meine Position war klar: Verurteilung des Aggressors und der Kräfte, die hinter Georgien standen, und prinzipielle Ablehnung von Kriegen zur Lösung von Konflikten. Bei Libyen war die Versprachlichung meiner Position sehr viel schwieriger, die Zerschlagung des Herrschersystems Gaddafi war noch nicht völlig beendet und ich hatte mich, um ehrlich zu sein, mit der kriegerischen Auseinandersetzung kaum beschäftigt, nicht ganz frei von der Ansicht einer der Bürger in Goethes Faust:  Nichts Bessers weiß ich an Sonn- und Feiertagen/Als ein Gespräch von Krieg und Kriegsgeschrei/ Wenn hinten, weit, in der Türkei,/Die Völker aufeinander schlagen. Ein anderer pflichtet bei: Herr Nachbar, ja! So laß ich’s auch geschehen,/Sie mögen sich die Köpfe spalten,/ Mag alles durcheinander gehen;/Doch nur zu Hause bleib’s beim alten.“ Ich beschreibe, wie es mir in Berlin bei der Nennung der 26 000 Flüge der NATO gegangen ist. Dass ich zu den Menschen gehöre, die den Krieg zur Lösung von Problemen prinzipiell ablehnen, was sie ja auch schon wüssten. Was die wirtschaftlichen und sozialen Leistungen anlange, so sei ich schon seit der Zeit beeindruckt, als libysche Studenten Anfang der 80er Jahre ans Herder-Institut kamen, um sich sprachlich auf ein Studium in der DDR vorzubereiten. Auch ich könne mir schwer vorstellen, dass sich die Mehrheit des Volkes gegen Gaddafi erhoben habe und führe eine Fälschung an, auf die Daniela Dahn aufmerksam macht: „Die Nachrichtenagentur Reuters veröffentlichte ein Foto von einem Protestzug vor einer Bilderwand, die hunderte Opfer zeigt, friedliche Demonstranten, von Gaddafis Schergen soeben erschossen. Die Wut angesichts solcher Belege kochte weltweit hoch. Da konnte man nicht tatenlos zusehen. Später musste eingeräumt werden, dass das von einer PR-Agentur zugespielte Foto 15 Jahre alt ist. Der Protestzug fand 1996 statt, vor Bildern von Opfern des berüchtigten Massakers an 1200 aufständischen Gefängnisinsassen, angeblich Al-Qaida-Kämpfer. War man auf solche Fälschung angewiesen, weil es keine aktuellen Belege gab?“ ** Natürlich könne und wolle ich auch nicht das diktatorische Herrschaftssystem Gaddafis mit seinen Repressalien, Einsatz von Folter gegen Andersdenkende, seiner allgegenwärtigen Geheimpolizei, mit der physischen Vernichtung von Gegnern übersehen. Aber ich kann auch nicht umhin, das Votum des UN-Berichterstatters für Menschenrechte, Richard Falk, ins Kalkül zu nehmen, wonach der „Grad der Unterdrückung“ in Libyen nicht durchdringender und schwerer“ als in anderen autoritär regierten Ländern sei. *** Um Gleichbehandlung wird gebeten.

Ich sei kein Politiker, bin es nie gewesen, auch kein Historiker, nur ein Didaktiker des Fremdsprachenunterrichts, aber dass es sich in Libyen um ein stammesorientiertes Herrschaftssystem handelt, hätte ich dennoch interiorisiert. Ich könne nicht ausschließen, dass der Beginn des Aufstandes gegen das Gaddafi-Regime durch Machtinteressen eines anderen Stammes bzw. anderer Stämme im Nordosten bestimmt war, die gewichtiger und mächtiger als der relativ kleine Gaddafi-Stamm sind und die ihren Machtanspruch nun mit Hilfe der NATO durchsetzen konnten. In der Berliner Zeitung vom 22. Februar liest sich das so: „Dort sitzen große, mächtige Stämme und die können nicht leiden, dass im Westen einer von einem kleinen anderen Stamm, nämlich Gaddafi, alle Macht hat. Und sie sind extrem konservativ. Die Frauen laufen total verhüllt herum, was auch eine Form von Protest ist. Gaddafi hatte ja erst den Kopftuchzwang abgeschafft. Der war einmal ein Modernisierer? medina-alte-stadt-von-ghat-libyen-22087808Klar, er hat die Frauen vor dem Gesetz gleichberechtigt, sie haben gleichberechtigten Zugang zur Universität und nutzen den auch.“**** Die Einführung der Scharia sei für mich schon ein Zeichen dafür, dass die Einführung der Demokratie nach westlichem Vorbild nicht das Hauptmotiv des Kampfes gewesen sein könne. Die Befürchtungen, die man in Russland hegt, sind offensichtlich nicht spurlos an mir vorbeigegangen: „Nach dem Sturz von Gaddafi kann der Westen in Libyen mit einem viel schlimmeren Gegner konfrontiert werden – mit religiösen Radikalen“, war in verschiedenen Veröffentlichungen zu lesen. Warum ich nicht sage, Libyenerdöldass es letztlich um das Öl in Libyen geht. Dass pfiffen doch die Spatzen aller Coloeur von den Dächern, braucht es da noch meine Stimme? Offensichtlich war sie gefragt und ich schließe mit der mehr rhetorischen Frage, weshalb niemand Saudi-Arabien angegriffen hat, nachdem saudische Panzer auf der Insel Bahrein den Volksaufstand, Teil des „arabischen Frühlings“, völkerrechtswidrig erstickten? Nicht mal eine auffällige Verurteilung des Eingriffs hat es gegeben.

Nach dreiwöchigem Aufenthalt in Tomsk kehre ich nach Berlin zurück und weiß, Libyen wird mich noch weiter beschäftigen: Libyer kommen und versammeln sich um meinen Arbeitstisch.

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* Nach .www.schweizmagazin.ch 27/10/2011 und der App World Countries, Rankings, basierend auf dem CIA World Factbook

** Dahn, D, Störfaktor Gaddafi. In: Blätter für deutsche und internationale Politik 7/2011, S. 36f.; dahn_blaetter_7_2011[1].pdf

*** Guilliard, Nato-Krieg gegen Libyen. Hintergrund, Akteure, Ziele, Heidelberg 2011, gefunden bei Daniela Dahn, Störfaktor Gaddafi.
Siehe ** ** Gabriele Riedle ist während der Unruhen durch Libyen gereist. Ein Gespräch über die Lage im Land. Vogel. Sabine: Den Demonstranten geht es nicht um Demokratie  

  1. Martin Löschmann permalink*
    November 20, 2011

    Lieber Helmut,

    als Admin bekomme ich mit, was so alles im herderblog.net gesucht wird, natürlich nicht wer surft. In letzter Zeit tauchte immer mal wieder das Stichwort LIBYEN auf. Da du das Land in deinem Beitrag zum Sport am Herder-Institut Libyen erwähnst, wurde er auch aus diesem kühlen Grunde mehrfach aufgerufen. Ich kann mir gut vorstellen, dass die Surfer bzw. Surferinnen enttäuscht sind, wenn sie nur auf den Namen treffen.
    Meinst du nicht auch, dass mein Artikel eine gute Gelegenheit gibt, dich näher zu Libyen zu erklären?

    • Helmut König permalink
      November 20, 2011

      Ja, Martin, als ich in meinem Beitrag zum Studentensport die Kriegshandlungen in Libyen kurz erwähnte, weil ich mir schon damals so meine Gedanken machte, konnte ich natürlich nicht wissen,dass du auf die Ereignisse, die sich in diesem Land vollzogen und noch vollziehen werden, noch einmal näher eingehst.

      Die jungen Libyer am Institut waren versessene Fußballfans und ich erinnere mich noch gut daran, dass wir manchmal unsere Hallentür von innen abschließen mussten, weil wir auf Grund des Ansturms auf unsere alte Halle Gefahr liefen, den Sport in der Halle selbst nicht mehr unseren Vorstellungen entsprechend händeln zu können. Ja, ein besonderes „Völkchen“ waren unsere Libyer schon, kletterten einfach über die Vorraumabsperrung, die nach oben hin offen war, und wollten Kraft ihrer Sonderstellung in der Halle unbedingt mitmischen. Das war schon manchmal nicht einfach für uns Sportlehrer, da noch ruhig und beherrscht zu bleiben. Aber so war es eben!
      Wir mussten damit umgehen und es wurde ja in harter Währung gezahlt. Du hast die Situation mit den Libyern richtig beschrieben.

      Natürlich ist mir klar, dass du mit der Zahl 26 000, die mit dir am Frühstückstisch sitzt, ganz andere Überlegungen verbindest. Ich setze noch eine Zahl dazu: 30 000. So viele Opfer sollen es mindestens sein. Die Zahl habe ich nicht irgendwo aufgeschnappt, wer das noch druckfrische Buch „Arabiens Stunde der Wahrheit“ von Peter Scholl-Latour liest, und ich kann es nur empfehlen, wird auf diese Zahl stoßen. Ich habe wirklich keinen Grund, ihm das nicht abzunehmen. Seine Qellen und Einschätzungen sind bekanntlich profund.

      Dass der „Revolutionswächter“ am Ende seiner Tage einem billigen Lynchmord zum Opfer fiel, von dem viele behaupten er sei verständlich, ist meiner Meinung nach nicht unbedingt ein guter Start für eine nachfolgende Demokratie (westlichen Vorbilds). War nicht deshalb der Eingriff der der „Alliierten“ erforderlich geworden? Es liegt mir fern, den Oberst Gaddafi hier zu verteidigen, er hat Strafe verdient. Erinnern wir uns nur der Anschläge auf die Disco „La Belle“, den Flugzeugabsturz über Lockerbie oder den eines französischen über Nigeria. Er hätte vor ein internationales Gericht gehört wegen dieser Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Das schreibt die Demokratie des Westens mit Recht so vor. Die Amerikaner hätten die Möglichkeit dazu gehabt, waren sie doch im gemeinsamen Kampf gegen das Netzwerk Bin Ladens längst enge Verbündete geworden. Die Geheimdienste der USA waren schon lange im Lande präsent.
      Obwohl er diese Verbrechen begangen hatte, war er für die USA „a good gay“geworden. Heiligt also doch der Zweck die Mittel? Oder wollte man eine gefügigere Regierung installieren? Eine, die sich nicht erdreistet, beim Bau eines solchen Megaprojekts wie dem sogenannten „Great Man River“, ohne ausländisches Geld bzw. Banken auszukommen?

      Die geostrategischen und wirtschaftlichen Interessen der westlichen Mächte haben wieder einmal
      obsiegt. Ob das gut geht, bleibt abzuwarten! Die ganze „Arabellion“ kann Europa eines Tages um die Ohren fliegen. Grenzen gibt es in diesem Durcheinander eh keine mehr. Und noch ist nicht entschieden, ob aus dem Arabischen Frühling, wie Scholl-Latour in einem Interview des ND vom 28.10.2011 meint, nicht noch ein frostiger Winter wird.
      Ich gestatte mir ein längeres Zitat aus oben genanntem Buch von Peter Scholl-Latour: „Die Nachgiebigkeit, ja der plötzliche Schmusekurs des Westens gegenüber einem notorischen Verbrecher, einem Tyrannen, der in Wirklichkeit eine internationale Aburteilung verdient hätte, gehört zu den schändlichsten Kapiteln einer heuchlerischen „Menschenrechtsdiplomatie“. Washington hatte diesen neuen Kurs vorgezeichnet. Libyen wurde von den Terrorismus begünstigenden Staaten gestrichen. Die Beziehungen zwischen Washington und Tripolis wurden normalisiert, (…). Die Oelkonzerne aus den USA nahmen ihre Prospektionsarbeit in den Wüstenregionen wieder auf.
      Die engste Vertraute des Präsidenten George W. Bush, Außenministerin Condoleezza Rice, entblödete sich nicht zu verkünden: „Libyen ist ein wichtiges Vorbild in einer Welt, die von den Regierungen Irans und Nordkoreas eine gründliche Umkehr erwartet. Wir verlangen dringend von den führenden Politikern in Iran und Nordkorea, dass sie strategische Entscheidungen treffen, die dem Einlenken Libyens entsprechen und zudem heilsam für ihre eigenen Völker wäre.“
      Dass auch die Europäer den „Führer der Yamhahyiria“ jetzt umwarben, bedarf weiter keines Beweises mehr. Das System Gaddafi wurde zu Fall gebracht. Die Saudi-Arabische Dynastie und andere Potentaten der Golfregion werden in ihrem diktatorischen Vorgehen ihren Völkern gegenüber seltsamerweise nicht mal kritisiert bzw. zum Umdenken aufgefordert. Auch wenn hinreichend bekannt ist, dass sich das Terrorsystem Bin Ladens von Saudi-Arabien aus über die Welt verbreitete. Als die Führung Bahreins von Saudi-Arabien Hilfe anforderte und Panzer gegen die dortige aufständische Bevölkerung vorgingen, war vom Westen kein Aufschrei zu hören. Warum wohl?

      Die islamischen Völker, denen zum Xten mal vorgeführt wurde, wie die scheinheilige Demokratie des Westens funktioniert, indem sie vor allem entscheidet, was im Augenblick nützlich für sie istund wann ein System zum „bad country“ zu erklären ist als gäbe es auf der Welt nur die eine,nämlich die westliche Sicht auf die Welt, werden sich abwenden und unter dem Islam ihre eigene Welt errichten. Das ist ihr gutes Recht!

      Die Länder Europas sollten sich auf ihre eigenen Probleme konzentrieren und ein einheitliches politisches System entwickeln, um den Herausforderungen dieses Jahrhunderts gewachsen zu sein. Wie es in Libyen weiter geht, muss dort entschieden werden. Die arabischen Länder müssen sich selbst ihren Weg in die Zukunft suchen. Mit Ratschlägen, die gar noch militärisch duchgesetztwerden, sollte der Westen zurückhaltend sein.Hier wollte ich schließen, aber meine Gedanken gehen noch einmal zu oben erwähntem ND-Interview mit Scholl-Latour, der auf die Frage nach der wahren demokratischen Erneuerung des Magreb antwortete: „…“ Ich weiß auch nicht, ob es empfehlenswert wäre für Tunesien wie überhaupt die Nordafrikaner, unsere Demokratie zu kopieren. „…“ Sie können es selbst nicht wollen, wenn sie sehen, welche wirtschaftlichen und sozialen Probleme uns zu schaffen machen und wie ohnmächtig unsere Parlamente sind“.

  2. Irina Pavlova permalink
    November 23, 2011

    Ihren Beitrag „Libyer kommen“ und die Kommentare dazu habe ich mit Interesse gelesen. Ich bin ganz zufällig bei meiner Recherche zu dem aktuellen Geschehen in Libyen auf Ihren Artikel gestoßen. Unsere Erfahrungen mit libyschen Studierenden an der Lumumba-Universität sind ähnlich. Im Ganzen gesehen ist es mit ihnen aber zu keinen größeren Konflikten gekommen.
    Was die Beurteilung der aktuellen Ereignisse angeht, so habe ich unter der Adresse
    http://www.mathaba.net/news/?x=629430 ein schwedisches Forum zu dem Thema gefunden, in dem die Ereignisse in Libyen sehr sachlich und neutral beurteilt werden.
    Vielleicht interessieren sich Ihre Leser und Leserinnen dafür.

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  1. Nun kommen sie wieder | Herderblog.net

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