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Ein ehemaliger Kommilitone und späterer Kollege des Herder-Instituts legt seine Memoiren vor:

2011 11. August
von Martin Löschmann

Peter Zimmermann, Geschichte wird uns zugefügt. Ein Ostdeutscher erinnert sich an das 20. Jahrhundert. Leipzig: Eudora-Verlag, 2005, 457 S. Um mich nicht mit fremden Federn zu schmücken, will ich vorausschicken, dass ich von Dr. Bernd Landmann auf Zimmermanns dicken Wälzer aufmerksam gemacht worden bin: Ich habe das Buch bislang nur in der von Dir irgendwie treffend (aber wie?) bezeichneten schnellsten Lesetechnik überflogen. Das Herder-Institut kommt vor, aber der Peter war ja mehr im Ausland als in der Lumumbastraße und im Fokus stehen die Auslandseinsätze … Im Übrigen würde Dir die ganze Richtung seiner Betrachtungen nicht schmecken. Hans Mayer war für ihn schon ein kaum erträglicher Kommunist. Hermann August Korff hat ihn geprägt. Und der Anglist Prof. Martin. Er sieht sich als einen, der sich in der DDR in die innere Emigration zurückgezogen hat und gezwungen war, sich als Radieschen zu geben: außen rot …. Allerdings verblüfft dann der Schluss. Er beschreibt eine sehr, sehr harte Landung im bundesrepublikanischem Alltag mit großer Ernüchterung. Das Klagelied geht also nahtlos weiter. Immerhin erweist er sich darin als konsequent. Lustig ist es aber trotzdem.

Natürlich habe ich mir das Buch besorgt und es auch mit zum Teil betroffenem Interesse gelesen, fast 500 Seiten und nur die Zeit “streng genommen“ bis 1971, also etwa bis zu dem Zeitpunkt, an dem der Autor den Staub des „Leipziger Funktionärsnests von den Füßen schüttelte“ (S. 454) und im Sprachintensivzentrum für Englisch an der TU Dresden eine Anstellung fand. Die selbst gesetzte Zeitbeschränkung hindert ihn überdies nicht daran, die Wende und deren Folgen für sich in den Blick zu nehmen. Der Reiz der Lektüre war für mich allein schon deshalb gegeben, weil P.Z. und ich etwa gleichaltrig sind, beide an der Karl-Marx-Universität Leipzig Germanistik und Anglistik studierten und eben in der angegebenen Zeit Kollegen waren. Zimmermann promovierte 1967, Löschmann zwei Jahre später, Zimmermann verteidigt seine Habilitationsschrift 1978, Löschmann seine ein Jahr später, ins Ausland strebten wir beide: Zimmermann konnte schon in den 60er Jahren Auslandsaufenthalte auf seine Fahne schreiben, Löschmann erst 1969 mit seiner Auslandstätigkeit in Finnland. Schnell bestätigte sich beim gelegentlich kursorischen Lesen Landmanns Hinweis, dass Zimmermann weniger seine Zeit am Herder-Institut im Erinnerungswinkel hat, sondern mehr seine Auslandseinsätze in Ghana (dreimal!) und Syrien, über die kenntnisreich und durchaus mit Empathie für die jeweiligen Länder berichtet wird. Es ist daher nur folgerichtig, wenn der Kritiker des Buches Ulrich Ramm diesen markanten Erinnerungsstrang hervorhebt, ohne allerdings die Spezifik des Zimmermannschen Beitrages zu erfassen. Dass Zimmermann seine Auslandszeiten ins Zentrum seiner streckenweise sarkastisch-humorigen Ausführungen rückt, ist nur allzu verständlich, denn nach der Beschreibung von Kindheit, Schulzeit, Studium wird seine Arbeitstätigkeit in dem erfassten Zeitraum durch seine Auslandsaufenthalte klar bestimmt. Um seine Auslandsberichte zu verstehen, muss man natürlich wissen, dass er nicht als Hochschullehrer, sondern als Lehrer im Hochschuldienst im Ausland tätig war, eine begriffliche Unterscheidung in der DDR, auf die Zimmermann in seinem Buch S. 246 auch nachdrücklich hinweist, die von Ulrich Ramm aber offensichtlich überlesen wurde. Dabei ist die Begriffsunterscheidung für das Verständnis der Memoiren ganz wesentlich, denn Zimmermann kann es drehen und wenden, wie es ihm gerade passt, er kann sich verächtlich gegenüber sogenannten Karrieristen zeigen, eines kann er nicht verhehlen, er selbst wollte Hochschullehrer werden, was sein gutes Recht ist, nur verbirgt er unter seinem „Inneren Emigrations-Umhang“ geschickt, worin das eigentliche Dilemma bestand: Qualifiziert sich auf literatur-wissenschaftlichem Gebiet und will auf einem anderen Fachgebiet zum Hochschullehrer berufen werden. Auf Seite 455 steht es schwarz auf weiß, „die Funktionärskaste musste den zähen Widerstand aufgeben, weil man nach zahlreichen Lehrbuchveröffentlichungen nicht mehr umhin konnte, ihn wenigstens für eine außerordentliche Dozentur in Dresden vorzuschlagen. Doch erst eine Beschwerde seinerseits beim Staatsrat führte im Februar 1989 zu der gewünschten und geforderten Berufung“. Ironie des Schicksals und dem gewählten Vorspruch zum Trotz Wie haben wir nur ausgehalten/Die Übermacht der Staatsgewalten?! Zimmermanns treffender Kommentar: „1989 wurde ein Vollmatrose zum Bootsmann befördert auf einem sinkenden Dampfer“ (S. 455). Die erkämpfte Dozentur war dem ehemaligen Kommilitonen und Kollegen vom ganzen Herzen gegönnt, auch wenn Lehrbuchveröffentlichungen allein für mich noch keine ausreichende Begründung darstellen, auch nicht, wenn sie durch das quantitative Merkmal zahlreiche fundiert wird, das ich übrigens in Frage stelle, und mit der Wahl von einige der Wahrheit näher käme, aber zugegeben: das ist Erbsenzählerei. Damit indes kein falscher Eindruck entstehe, schließt meine sachliche Argumentation nicht aus, dass politische Gegebenheiten Zimmermanns Karriere beeinflusst haben können, nur finde ich sie nicht erzählerisch belegt, denn die Wahrheit ist nun mal konkret. Um sicher zu gehen und meine Argumentation zu stützen, habe ich mich in der Deutschen Nationalbibliothek, vom literaturhistorischen und literaturwissenschaftlichen Inhalt der beiden Qualifizierungsarbeiten selbst überzeugt, zumal in Zimmermanns Memoiren wenig darüber mitgeteilt wird. Seine Dissertation, die vom Anglisten Prof. Martin in Leipzig betreut wurde, bei dem Autor und Rezensent studiert haben, ist überschrieben mit: Die Darstellung der gesellschaftlichen Entwicklung des modernen Afrika bei führenden Vertretern der englischen Literatur des 20. Jahrhunderts. Nur 18 Monate habe er gebraucht, um seine Dissertation zu erarbeiten. Ich zähle beiläufig die angegebenen Quellen, insgesamt 55, davon 27 Primär- und 28 Sekundärliteratur (darin die Kleine Enzyklopädie Weltgeschichte, 3 Bände Weltgeschichte) und denke, gut möglich, Peter, was du da schreibst. Die Habilitation, die an der Karl-Marx-Universität abgelehnt worden war, wurde 1978 an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg angenommen und erschien unter dem Titel Auf der Suche nach Indien und Südostasien. Englische Belletristik im Zeitalter des Kolonialimperialismus (Berlin: Akademie-Verlag, 1981), worauf er in der Tat stolz sein kann, denn die Publikationsmöglichkeiten waren in der DDR nicht gerade üppig. Nimmt man das wissenschaftliche Profil des Herder-Instituts zur damaligen Zeit ins Kalkül, wird man ehrlicherweise akzeptieren müssen, dass literaturwissenschaftlich orientierte Dissertationen und Habilitationen nicht mit dem Stempel des Institutsinteresses versehen und deshalb auch nicht zu fördern waren. Private Initiativen dagegen wurden durchaus akzeptiert, sofern sie die Arbeit des Promovenden am Institut nicht beeinträchtigten. Dr. Dirk Joschko wäre ein Beispiel, er promovierte 1982 mit einer Arbeit über den Dichter, Sänger und Komponisten Oswald von Wolkenstein (1377 – 1445), die, wenn ich mich recht erinnere, als Monografie zu Person, Werk und Forschungsgeschichte von Wolkenstein in der Bundesrepublik wenige Jahre später erschien. (Oswald von Wolkenstein. Eine Monographie zu Person, Werk und Forschungsgeschichte. Göppingen 1985) Im Herder-Institut aber „dunkle Hintergründe“ für „die eiskalte Abfuhr“ seiner Habilitation an der Philosophischen Fakultät in Leipzig zu vermuten, ist schon mal eine recht eigenwillige Unterstellung, zumal Zimmermann selbst zugeben muss, dass „diese Hintergründe bis heute nicht zu belegen seien.“ (S. 454) Sosehr man Zimmermanns Kritik an Missständen in der DDR, z. B. der Mangelwirtschaft, der Übermacht der Stasi, Überideologisierung, der Einführung des Grundlagenstudiums  Marxismus-Leninismus an den Universitäten, der verengten und einseitige Sicht auf die Literaturentwicklung, die Wegsperrung von kritischer Literatur aus dem Westen, der sturen Abgrenzungspolitik der Bundesrepublik gegenüber, dem Wahlbetrug, den Betonköpfe u.a.m. anerkennen muss, so wenig lässt sich übersehen, dass die Kritik häufig undifferenziert, unhistorisch, klischeehaft und weitgehend abgewetzt daher kommt. Um es an einem schlichten Beispiel zu zeigen. Man kommt nicht umhin, die Charakterisierung der jährlich stattfindenden Auslandslektorenkonferenzen mit einem Schmunzeln zu lesen, wenn er in der ihm gemäßen Diktion schreibt: „Diese Tagungen dauerten mindestens eine Woche und sollten die Deutschlehrer, nachdem sie in ihren einzelnen Ländern unkontrollierbaren Einflüssen und vielgestaltigen Versuchungen ausgesetzt gewesen waren, gewissermaßen als ideologisches Reinigungsritual wieder auf Parteilinie trimmen.“ (S. 357) Er verschweigt aber, dass es immer auch fachwissenschaftlich orientierte Vorträge und Seminare im Rahmen dieser ‚Runderneuerungswoche‘ gab, in denen neuere und neueste Forschungsergebnisse und Entwicklungstendenzen auf den einschlägigen Fachgebieten präsentiert und erörtert wurden. Der Buchbeurteiler selbst hat beispielsweise mehrmals über Neuentwicklungen auf dem Gebiet der Didaktik und Methodik des Deutschen als Fremdsprache gepredigt. Natürlich muss dem Rezensenten als langjährigem Mitarbeiter des Herder-Instituts besonders die durchweg negative Sicht auf das Herder-Institut auffallen, sie verführt Zimmermann zu Grenzüberschreitungen, die einen schon hätten bewegen können, das Buch aus der Hand zu legen. Spätestens, bei der Seite 346 angekommen, erging es dem Zu-Ende-Leser so: Der Autor glaubt hier „ein ganzes Geschwader von Megären um die fünfzig“am Herder-Institut entdecken zu müssen, die versuchten, sich verbissen auf der Karriereleiter nach oben zu arbeiten … Als Fachberaterinnen schnüffelten sie im Unterricht herum und prüften, ob er auch bis zur letzten Minute effektiv war und die von unserem Staat geforderten Leistungen brachte; als stramme Parteigenossinnen (eine Generation früher hätten diese Typen als NS-Frauenschaftsführerinnen sicherlich Großes geleistet) kurbelten sie emsig an einer freizeitvernichtenden Solidaritätsmaschine, die sie ‚Aktion Vietnam‘ nannten. Man spürt förmlich, wie diese ehrenwerten Kolleginnen zudem unterschwellig mit der Stasi in Verbindung gebracht werden sollen: Sie schnüffelten im Unterricht herum. Beim Vergleich der DDR mit der deutschen NS-Vergangenheit hört für den Rezensenten normalerweise der Spaß auf, er kann da keinen Humor erkennen, sondern nur eine ungeheuerliche Verunglimpfung der Fachberater/Innen, die es am Herder-Institut in Gestalt von FachgruppenleiternInnen gab. Sie hatten diesen Status erworben, weil sie zu den besten LehrerInnen gehörten und sich ernsthaft mit didaktisch-methodischen Fragen des Unterrichts beschäftigen, nicht weil sie ihr Parteibuch in der Handtasche hatten. Im Übrigen gehört das Bemühen um Effizienz im Unterricht zu den nicht hoch genug zu bewertenden Zielstellungen jedweden Unterrichts. Apropos ‚Aktion Vietnam‘, an der Zimmermann offensichtlich beteiligt wurde. Seine Auslassungen darüber zeigen eine geringe interkulturelle Sensibilität seinen vietnamesischen Lernenden gegenüber, die alles andere als typisch für das Herder-Institut genannt werden kann. Oder ist es einfach nur Unbedarftheit, die humorige Wirkungen erzielen soll? Da ist das Stereotyp von den nicht zu unterscheidenden Vietnamesinnen, was zu „heitersten Missverständnissen“ führte. „Direkt vor uns am Tisch saßen Fräulein Ba, Fräulein Be, Fräulein Bi und Fräulein Bu, die wir beim besten Willen nicht voneinander unterscheiden konnten.“ (S. 348) Wenn ich jedoch die Vietnamesen als Ameisen sehe, dann ist natürlich klar, sie lassen sich durch uns Menschen individuell kaum unterscheiden, auch nicht, wenn Vietnamesen mit Eichhörnchen gleichgesetzt werden, die neckisch und niedlich angestrengt und unermüdlich arbeiteten žund die nach geraumer Zeit ein einigermaßen verständliches Deutsch piepsten. Unwürdiges Geschwätz eines Fremdsprachenlehrers. Nichts über die Schwierigkeiten von Vietnamesen die deutsche Sprache zu lernen, nichts von der Härte ihres Studierens, z. B. dass sie einen Teil ihres Stipendiums der Kriegskasse opfern mussten, nichts von ihrem kulturellen Schock, nichts von den Bemühungen, sie durch spezifische Lehr- und Lernmaterial, wie bescheiden auch immer, beim Erwerb der deutschen Sprache zu unterstützten. Fast will einem das Herz brechen, wenn man erfährt, dass es ihm nicht gelungen sei, den Vietnamesen wie Studenten anderer Nationen zu begegnen. Nie kam es zu einem wirklich persönlichen Gespräch. Dass es auch an dem Memoirenschreiber Zimmermann gelegen oder etwas mit der Stellung des Individuums in Asien zu tun haben könnte, kommt dem Schreiber schon gar nicht in den Sinn. Wer Zimmermanns Buch wirklich liest, wird sich nicht wundern, dass die aufopferungsvollen Bemühungen von Mitarbeitern des Instituts um die vietnamesischen Studierenden keine Würdigung erfahren, wie sollte er auch, denn für ihn sind die Lehrerinnen und Lehrer „ein unerfreuliches Gemisch von Funktionären und Unterstufenlehrern“, wie ihm ein bekannter Dresdner Germanist im vertraulichen Gespräch mit uns (fett vom Verf.) einmal recht treffend definierte. Auf die Dauer ließ es sich unter ihnen nur aushalten, wenn man hoffen konnte, zum Deutschunterricht ins nichtsozialistische Ausland entsandt zu werden. (S. 280) Mir steht keine Statistik über die Abschlüsse von Mitarbeitern des Herder-Instituts zu Verfügung, ich brauche sie auch nicht, denn ich weiß, mit der stürmischen Entwicklung des Herder-Instituts ging die Einstellung von Hochschulabsolventen einerseits und die Gewinnung von Lehrern aus der Volksbildung andererseits einher. Es mag vielleicht ein, zwei, drei Unterstufenlehrer am Anfang gegeben haben, aber zu Zimmermanns Zeit hatten sie sich auf jeden Fall schon höher qualifiziert. Bis heute steht dem Rezenten trotz wiederholter Nachfrage bei ehemaligen Kollegen und Kolleginnen kein Name vor Augen. Womöglich hat Zimmermann sich von Prof. Helbig verleiten lassen. Als dieser nämlich Ende der 6oer Jahre ans Institut kam, glaubte er festgestellt zu haben, dass die meisten damaligen Mitarbeiter kaum einschlägig vorgebildet waren. Es machte das Wort die Runde (es wurde H. Hellmich zugeschrieben), es hätten sich dort lauter weggelaufene Schulfunktionäre zusammengefunden.  Da war eine üble Übertreibung. (vgl. auch Leitfadeninterviews mit DaF-Experten/Gerhard Helbig. In: D. Blei, Zur Fachgeschichte Deutsch als Fremdsprache. Frankfurt: Lang, S. 73) Doch Schluss damit, denn ich komme zum Schluss. Von den eigenen Erfahrungen nach der Wende in Leipzig beeinflusst, hatte sich beim Lesen des Buches bei mir eine Erwartungshaltung gebildet, wonach die Berufung Zimmermanns zum Professor in der Wendezeit zwingend war, zumal er glaubhaft berichtet, wie er an der Gründung eines Instituts für Anglistik zumindest beteiligt war. Man mag es für pure Ironie halten, wenn der Rezensent von einer echten Überraschung beim Lesen der letzten Passagen schreibt, doch es war so: Da müht sich einer über fast 500 Seiten als Unterdrückter, als ein der Freiheit Beraubter, als einer, der Repressalien ausgesetzt, nicht in der SED war, und dann dies, es muss hier zitiert werden: Endlich konnten wir uns politisch äußern, ohne Repressalien befürchten zu  müssen. Als würden unsere beruflichen Anstrengungen doch Früchte tragen, hielten wir mit großer Freude in Dresden die erste Vorlesung über englische  Literatur seit 1936. An der Pädagogischen Hochschule und danach an der Technischen Universität gingen wir daran, ein Anglistisches Institut aufzubauen. Die Euphorie währte nicht lange. Das zuerst mächtig aufwallende Nationalgefühl schlug binnen weniger Jahre überall um uns her in Ernüchterungen um, denn schon bald gelangten wir zu der schmerzlichen Erkenntnis, dass uns die gesellschaftlichen Verhältnisse in der Bundesrepublik, der wir uns überstürzt angeschlossen hatten, jahrzehntelang in viel zu rosigem Licht erschienen waren … Ebenso geschickt wie kaltschnäuzig drängte man uns aus dem Lehramt in den sogenannten Altersübergang, eine besondere Vergünstigung, wie man uns schmackhaft machen wollte, für Ältere, kaum noch vermittelbare Beschäftigte. Die Technische Universität Dresden, an der wir immerhin achtzehn Jahre zugebracht hatten, ist für uns zu keiner Zeit eine Alma Mater gewesen, viel eher eine böse Stiefmutter, die uns erst ausnutzte und dann schmählich verstieß. (456f.) Ohne den bestürzenden Schluss hätte ich Zimmermann auf keinen Fall geraten, ein zweites Buch zu schreiben, aber seine Erfahrungen und Erkenntnisse in der Wende- und Nachwendezeit könnten durchaus von allgemeinem Interesse sein, wie in weiteren Beiträgen noch zu zeigen sein wird. Allerdings wären zum einen die Kritikpunkte des eingangs erwähnten Ulrich Ramm zu beachten – „“zu ausschweifig, zu selbstdarstellerisch, zu allgemein, zu uninteressant in dem gebotenen Umfang“ – und zum anderen das, was in dieser Rezension kritisch vorgebracht worden ist – zu undifferenziert, zu eitel, zu selbstherrlich, zu wenig selbstkritisch, zu viel intrakulturell und zu wenig interkulturell, zu eng auf eine bestimmte Klientel zugeschnitten und vor allem zu wenig recherchiert.

  1. Martin Löschmann permalink
    August 19, 2011

    Wo bleibt denn das Positive, Herr Kollege?

    Sie möchten im Internet nicht genannt werden und schreiben unter Verweis auf die Schilderung des Wintersacheneinkaufs, dass sie sich für Sie angenehm abhebt im Vergleich zu anderen die Realität verzerrenden Äußerungen über das Herder-Institut. Die Episode begründet ihr Anspielung auf das Gedicht Und wo bleibt das Positive, Herr Kästner?

    „Und immer wieder schickt ihr mir Briefe,
    in denen ihr, dick unterstrichen, schreibt:
    ‚Herr Kästner, wo bleibt das Positive?‘
    Ja, weiß der Teufel, wo das bleibt.“

    Doch hier erst einmal die betreffende Passsage:

    „… Zunächst galt es, die angereisten Studenten für den Winter einzukleiden, von dem sie keinerlei Vorstellungen hatten. Immer schön gruppenweise marschierten sie mit einem Betreuer (also auch mit uns) in die Kinderabteilung des Leipziger KONSUM-Warenhauses, wo ihnen vorgewarntes Personal entsprechende Textilien und Schuhe eher zuteilte als verkaufte, mochten sie sich gegen lange Unterhosen und wollene Strümpfe sträuben, wie sie wollten. Da wir derartige Einkäufe selbst für die eigene Person nur höchst ungern tätigen, waren sie für uns ein Alptraum. Nachher musste man zu allem Übel noch bei der nur anderthalb Meter großen Verwaltungsleiterin des Instituts abrechnen, einer frettchenhaften Kratzbürste, die im Souterrain hin und her fegte. Sie brach in fürchterlichem Geschrei aus, wenn jemand die vorgegebenen dreihundert Ostmark pro Student zum geringen Teil etwa für eine kleine Aktentasche oder dergleichen aufgewendet hatte, denn das war keine Winterausrüstung.“ (S. 147f.)

    In der Tat, der Einkauf der Wintersachen war am Herder-Institut ein für die ausländischen Studierenden erlebnisreiches Ereignis, Ausdruck der Fürsorge, der Umsicht. Die meisten Studenten waren überhaupt nicht auf den Winter in Deutschland vorbereitet, hatten noch nie einen Winter erlebt. Sie waren gar nicht in der Lage, das für den notwendigen Kauf von Wintersachen erforderliche Geld aufzubringen. Die 300 Mark der DDR, die jedem Studenten zustanden, waren also ein Segen für die Studierenden.
    Dass nur Wintersachen gekauft werden durften, versteht sich eigentlich von selbst. Natürlich bleibt es jedem überlassen, mehr zu fordern und anderes zu reklamieren, vielleicht Dessous sogar – aus welchen Gründen auch immer, aber dies würde doch erst erträglich auf dem Hintergrund des festgeschriebenen humanen Einkaufszieles.
    Und dann die Verwaltungsleiterin dafür zu kritisieren, dass sie streng auf die Einhaltung der Vorgaben achtete, zeugt schon von ökonomischen Unverstand, der Rechnungshof würde sie heute nur dafür nur loben können, ja müssen.
    Kurzum, es bleibt dabei, selbst die Schilderung dieses Ereignisses kann ich nicht als positiv ansehen, um bei Kästners Gedicht zu bleiben, obwohl auch ich der sprachlichen Gestaltung an sich durchaus einiges abgewinnen kann.
    Dass der Autor die didaktisch-methodischen Potenzen des Wintersacheneinkaufs nicht aufspürt, soll ihm dagegen an dieser Stelle nicht angekreidet werden, aber es gab nicht wenige Lehrer und Lehrerinnen, die diesen Spezialeinkauf als eine Art Projektunterricht gestalteten.

  2. Gisela Koch permalink
    Oktober 1, 2014

    Nachricht
    An Herrn Prof. Löschmann- sein Beitrag von 2011 zum Buch…
    Sehr geehrter Herr Prof. Löschmann,
    leider erst jetzt habe ich Ihre Rezension zu Peter Zimmermanns Buch
    gelesen: Geschichte wird uns zugefügt. In Vielem kann ich Ihnen
    folgen. Aber er war- und das kommt leider gar nicht im Buch zum
    Ausdruck- mein Lehrer an der Goethschule Bischofswerda genau von 1960
    bis 1964 in der Zeit meiner Erweiterten Oberschule in Deutsch und
    Englisch. Nicht nur ich, auch andere Mitschüler sind der Meinung (wir
    hatten gerade 50jähr. Abitur, und Peter Zimmermann konnte wegen seines
    Schlaganfalls vor 2 Jahren nicht kommen),dass er uns für unser Leben
    geprägt hat, was seine Kenntnisse in Lit, Philos. und Engl.
    anbelangte.Nur leider ist es so – wäre er ein sportlich-smarter Typ
    gewesen, hätten wir Mädchen uns wahrscheinlich reihenweise in ihn
    verliebt. Aber so ist das im Leben – die Erscheinung und das Können
    gehen oft nicht miteinander einher und deshalb hat er so ein Buch
    geschrieben, in dem er sich leider so enttäuscht mit seinem Leben
    auseinandersetzt. Ich bedaure, dass er nicht zum Ausdruck bringt, dass
    er diese 4 Jahre gerne Lehrer war – er war einer unserer Besten.
    Gisela Koch, ehemalige Schülerin, die das Buch 2x gelesen hat

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