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Eine geborgte Zusammenfassung über das Ende der Welt

2019 17. Juli
von Martin Löschmann

Vor ein paar Tagen ereignete sich wie aus heiterem Himmel ein Gespräch mit einem jungen Mann über die allerorten heraufbeschworene Klimakatastrophe und das mögliche Ende der Welt. Ich wehre ab und höre mich sagen: „Sie sind zu jung, um so pessimistisch zu sein. Alte Leute dürfen sich schon mal in Endzeitgedanken verlieren, aber Sie doch nicht.“ Und ich hole zwei, drei Gedanken hervor, die begründen sollen, warum alte Leute ihr absehbares bevorstehendes Ende mit dem unserer Welt verbinden.

Zu Hause angekommen, lese ich das letzte Kapitel aus Carlos Rovellis „Sieben kurze Lektionen über Physik“ und finde ganz am Ende – welch ein Zufall! – eine aufschlussreiche, klar formulierte, bewunderungswürdige bündige Zusammenfassung unserer kurzen, dahingestolperten Gedankengänge

Um Missverständnissen vorzubeugen, in diesem Buch geht es nicht vordergründig um diese heiter-düstere Perspektive, sondern eher um die großen Entdeckungen der modernen Physik des 20. Jahrhunderts: die Relativitätstheorie von Einstein,die Quantenmechanik von Max Planck, die weiterführenden Einsichten in die Entstehung des Universums, die Elementarteilchen-Theorie, die Loop-Theorie (Schleifen-Quantengravitation), des Autors Kernbeackerungsfeld.

„Ich denke, unsere Spezies wird nicht lange überleben. Sie scheint aus anderem Stoff gemacht als die Schildkröten, die immer gleichbleibend über Hunderte Millionen von Jahren fortexistiert haben, Hunderte Male länger als wir. Wir gehören einer eher kurzlebigen Spezies an. Unsere Vettern sind bereits alle ausgestorben. Und wir richten Schaden an. Die Klima- und Umweltveränderungen, die wir ausgelöst haben, sind brutal und werden uns schwerlich verschonen. Für die Erde wird es nur ein belangloser kurzer Augenblick sein, wir aber werden die Folgen wohl nicht unbeschadet überstehen; zumal die öffentliche Meinung und die Politik es vorziehen, die drohenden Gefahren zu ignorieren und den Kopf in den Sand zu stecken. Vielleicht sind wir die einzige Spezies auf der Erde, die sich der Unausweichlichkeit ihres individuellen Todes bewusst ist. Ich fürchte, wir werden bald auch die Spezies sein, die bewusst ihr eigenes Ende kommen sieht oder doch zumindest das Ende ihrer Zivilisation.

So wie wir uns mehr oder weniger gut unserem eigenen Tod stellen, so werden wir auch dem Zusammenbruch unserer Zivilisation begegnen. Da gibt es keinen großen Unterschied. Und es ist ja auch nicht die erste Zivilisation, die zusammenbricht. Schon die Maya und die Kreter haben das durchgemacht. Wir werden geboren und sterben, ebenso wie die Sterne geboren werden und sterben, sowohl individuell als auch kollektiv. Das ist unsere Realität. Gerade wegen seiner Vergänglichkeit ist uns das Leben kostbar. Denn, wie Lukrez sagt:

«… immer gleicher Durst nach Leben beherrscht uns, ständig steht uns der Mund begehrend offen.» (De rerum natura, III, 1084)

Aber in dieser Natur, die uns geschaffen hat und uns erhält, sind wir keine unbehausten Wesen, die zwischen zwei Welten hängen, nur teilweise Teil der Natur mit der Sehnsucht nach etwas anderem. Nein. Wir sind zu Hause.

Die Natur ist unser Zuhause, und in der Natur sind wir zu Hause. Diese sonderbare, bunte, erstaunliche Welt, die wir erforschen, wo der Raum zerbröselt, die Zeit nicht existiert und die Dinge zuweilen nirgends sind, ist nichts, was uns von uns selbst entfernt. Es ist nur das, was unsere natürliche Neugier uns von unserem Zuhause zeigt, von dem Stoff, aus dem auch wir gemacht sind. Wir bestehen aus dem gleichen Sternenstaub wie alle Dinge, und ob wir in Schmerz versinken oder lachen und vor Freude strahlen, wir sind immer nur das, was wir einzig und allein sein können: ein Teil unserer Welt.

Lukrez sagt es in wunderbaren Worten:

«Letztlich sind wir doch alle himmlischen Samen entsprossen, alle haben wir den gleichen Vater, von ihm empfängt die gütige Mutter die feuchten Tropfen des Regens, sie nimmt die Erde auf und bringt aufblühend schimmernde Früchte hervor, üppige Bäume, auch der Menschen Geschlecht, gibt Lebenskraft den wilden Tieren aller Arten, stillt, für Nahrung sorgend und für Futter, den Hunger aller, lässt sie ein wohl ausgestattetes Leben führen und ihren Nachwuchs aufziehen …» (II, 991–997)

Von Natur aus lieben wir und sind ehrlich und anständig. Von Natur aus wollen wir immer mehr wissen und immer weiter lernen. Unser Wissen über die Welt wächst. Uns treibt der Drang nach Erkenntnis, und lernend stoßen wir an Grenzen. In den tiefsten Tiefen des Raumgewebes, im Ursprung des Kosmos, im Wesen der Zeit, im Schicksal der Schwarzen Löcher und im Funktionieren unseres eigenen Denkens.

Hier, an den Grenzen unseres Wissens, wo sich das Meer unseres Nichtwissens vor uns auftut, leuchten das Geheimnis der Welt, die Schönheit der Welt, und es verschlägt uns den Atem.“

(Die italienische Originalausgabe erschien 2014 unter dem Titel «Sette brevi lezioni di fisica» bei Adelphi Edizioni, Mailand.), in Deutschland veröffentlicht in deutscher Sprache im Rowohlt Verlag, Reinbek bei Hamburg, September 2015)

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