Einmal mehr: West-Östlicher Diwan
Bernd Landmann, von dem im herderblog schon einiges veröffentlicht wurde, hat für das ägyptische Papyrus MAGAZIN Heft 3/2014 einen Beitrag geschrieben, der aus wenigstens drei Gründen in diesem Blog abgedruckt wird:
1. Wie schon bekannt sein dürfte, ist Dr. Bernd Landmann ein ehemaliger Mitarbeiter des Herder-Instituts, der heute u.a. als Kulturbeauftragter der Rahn Dittrich Group wirkt. Da die RDG an der Leitung der Privaten Deutschen Schule Kairo (PDSK) maßgeblich mitbeteiligt ist, gehört zu seinen Aufgaben, auch dorthin Kontakte zu pflegen und überhaupt vielfältige interkulturelle Beziehungen zu Ägypten zu unterhalten.
2. Die ägyptische Grafikerin Mona Ragy Enayat, mit der Landmann den Text zusammen gestaltet, hat das Herder-Institut besucht und anschließend an der Hochschule für Grafik und Buchkunst in Leipzig studiert.
3. In dem Beitrag geht es um Weihnachten und Weihnachtsbräuche. Sie waren im Unterrichtsprogramm des Herder-Instituts fester Bestandteil in der vorweihnachtlichen Zeit, wovon man sich z.B. in der „Sprachpraxis“, der Beilage zur Fachzeitschrift Deutsch als Fremdsprache überzeugen kann.
Übrigens, werden Sie darin nicht diese nachgesagten Umbenennungen von Brauchtum finden, die zwar in satirisch aufgemachten Beiträgen Eingang fanden, aber niemals in die Alltagskommunikation eindrangen. Die Wortschöpfung „Jahresendfigur mit Flügeln“ stammt nachweislich aus der satirischen Zeitschrift Eulenspiegel, der traditionelle Schwibbogen, der im Text erwähnt wird, kann ernsthaft nicht zu Triumphbogen umfunktioniert worden sein, und warum sollte die Weihnachtspyramide zum „Kerzendrehturm“ werden? So einen Unsinn können nur Ignoranten nachplappern.
Mona und ich sitzen immer mal wieder vor Publikum zusammen auf dem west-östlichen Diwan. Bildlich gesprochen. Sie, die Ägypterin, ich, der Deutsche. Wir strengen uns bei solchen Gelegenheiten stets an, erhellende Sichtwechsel zu veranlassen, Fremdes durch Kunstkniffe überraschend ein wenig vertraut erscheinen zu lassen und Vertrautes seltsam fremd, kurzum: zwecks Förderung von gegenseitigem Verständnis und Respekt Leute aus den zwei verschiedenen Kulturkreisen, in denen wir uns jeweils beheimatet fühlen, miteinander ins Gespräch zu bringen. Dabei ist uns selbst so manches durchaus noch nicht so durchsichtig. Das gilt sowohl für das Eigene wie auch das Fremde. Wir müssen also bisweilen auch füreinander Aufklärung betreiben bzw. uns selbst erst einmal über etwas so richtig klar werden. Das ist recht spannend und bereichernd.
Erst dieser Tage geschah das wieder. Ursache war ein Auftrag, der uns beide gemeinsam in ein Joch spannte. Die Rahn Dittrich Group, eine Firmengruppe, für die wir beide gelegentlich arbeiten, wünschte sich von uns die Gestaltung einer hausgemachten Weihnachtskarte zur Übermittlung guter Wünsche an Geschäftspartner und Mitarbeiter. Mona sollte das Bild gestalten, ich den Text. Unerwartet konfrontierte mich Mona da mit der berühmten Gretchenfrage. Sie wollte jedenfalls wissen, wie ich persönlich es mit dem Weihnachtsfest hielte. Das brachte mich zu meiner eigenen Überraschung in einige Verlegenheit. Deshalb suchte ich mein Heil zunächst in einem Ausweichmanöver und begann zu dozieren.
Die Datierung von Christi Geburt auf die Nacht vom 24. zum 25. Dezember ist durch keine Angabe in der Bibel gedeckt. Es gibt vielmehr schon aus der Antike herrührende Spekulationen, dass der Geburtstag Jesu ziemlich willkürlich, gleichwohl aber mit scharfem Kalkül festgelegt worden ist. Tatsache ist, dass die Weihnachtsfeier in Rom just in der Zeit aufkam, als der von Kaiser Aurelian (214-275) maßgeblich initiierte Sonnengottkult (Sol-Invictus-Kult) seinen Höhepunkt erreicht hatte. Die Geburt des Sonnengottes war dabei nach dem julianischen Kalender auf den 25. Dezember festgelegt worden, wobei dieser Tag bei der Einführung des Kalenders der kürzeste Tag des Jahres gewesen ist, also die Wintersonnenwende markiert hat. Seit eh feiert man in aller Welt die Feste gern, wie sie fallen. Lieb gewordene Traditionen führt man lieber mit neuen Inhalten weiter, als dass man auf sie gänzlich verzichten möchte. Nach Goethes Faust ist Name nichts weiter als Schall und Rauch, einzig das Gefühl zähle. Ob man nun Wintersonnenwende, Sonnengottgeburt oder Weihnachten nennt, egal, Hauptsache, es kann zünftig gefeiert werden. Die gegenwärtigen Mutationen des Weihnachtsfestes bestätigen diese Sicht der Dinge. Jetzt verläuft der Prozess allerdings gerade weg von christlichen Inhalten. Die Kirchen klagen immer lauter über Profanierung, Amerikanisierung und Kommerzialisierung der christlichen Feste. Mich selbst lassen diese Entwicklungen übrigens auch nicht kalt, obwohl ich bereits nach meiner Studentenzeit aus der Kirche ausgetreten bin. Geblieben ist mir aber die Überzeugung, dass es irgendetwas geben müsse, was die Welt im Innersten zusammenhält, ich vermag diesen Glauben nur nicht mehr an einer institutionalisierten Religion festzumachen.
Mona wollte sich damit nicht zufrieden geben. Ich sollte doch konkret werden. Wie feierst du Weihnachten und was bedeutet dir das Fest? Die Frage nach dem Wie stellte mich nicht vor Schwierigkeiten. Also, ein Stollen ist für mich unverzichtbar. Viele Jahre habe ich darauf geachtet, dass er erst am Heiligabend angeschnitten wird. So hatte ich es als Kind erlebt und als wunderbar empfunden. Wichtig ist mir auch, dass am Heiligabend Weihnachtslieder gesungen werden, wenigstens eins, auch wenn es schaurig klingt und der Textfaden gelegentlich abreißt. Immer wenn kleine Kinder dabei sind, sorge ich dafür, dass ein Weihnachtsmann mit weißem Rauschebart, Gabensack und Rute die Geschenke bringt, eine oft schwierig zu lösende Aufgabe, denn man muss ja jemanden dafür gewinnen, der nicht an Stimme und Gang sofort als Onkel Frank oder Opa Uli zu erkennen ist. Von einem Tannenbaum mit Lametta und echten Kerzen – lange Zeit auch ein Muss – habe ich mich dagegen vor Jahren schweren Herzens verabschiedet. Wir begnügen uns jetzt mit einem lebenden Nadelbaum draußen im Garten, den wir mit LED-Lichterketten festlich aufpeppen und durch das große Fenster im Wohnzimmer sehen können. Nadeln aus dem Teppich zu klauben möchte man sich mit 75 einfach ersparen.
Wie wichtig mir all dieses weihnachtliche Brauchtum ist, wurde mir zum ersten Male so richtig
in Ägypten klar, wohin es unsere Familie – lang, lang ist’s her – einmal für drei Jahre verschlagen hatte. Da saßen nun Vater, Mutter und zwei kleine Mädchen am 24. Dezember 1968, gerade fünf Wochen zuvor in Kairo angekommen, ein bisschen fremdelnd in einem ziemlich kahlen Zimmer um ein baumartiges Gebilde, das nur mit viel gutem Willen als ein Christbaum zu akzeptieren war. Am Nachmittag noch hatten wir es vor Hitze auf dem Balkon kaum ausgehalten und nun stimmten unsere Zwillinge plötzlich, als ob sie mit Macht das Fest so, wie sie es gewohnt waren, in den Raum zwingen wollten, auch noch ein Weihnachtslied an, das uns erst so richtig bewusst machte, wie unbehaglich wir uns alle fühlten: „Leise rieselt der Schnee“. Irgendwie irrwitzig war das. Dabei zeigte uns die Weihnachtspyramide, die wir vorsorglich von zu Hause mitgebracht hatten, dass wir eigentlich gerade dort waren, wo sich die Geburt Christi ereignet hat: Im Morgenlande. Angetrieben durch die aufsteigende Wärme von Kerzen zogen auf rotierenden Scheiben vor unseren Augen die heiligen drei Könige, Kamele, Palmen, Maria nebst Joseph mit dem Jesuskind in der Krippe und orientalisch gewandete Hirten unaufhörlich in mäßigem Tempo vorbei und von der Spitze der Pyramide grüßte uns der Stern von Bethlehem. Trotzdem fühlten wir uns wie in einem falschen Film. Da half auch wenig, mit Matthäus 2,13 daran zu erinnern, dass sich die Heilige Familie gleich nach der Geburt des Gottessohnes eilends nach Ägypten auf den Weg gemacht hat. Also genau hierher.
Ich kann nun einmal nicht richtig in Weihnachtsstimmung kommen, ohne dass es draußen grimmig kalt und stockdunkel ist, ohne dass möglichst frisch gefallener, knirschender Schnee auf den Straßen liegt, ohne dass tausend verheißungsvolle Lichter die Finsternis durchbrechen, ohne dass Schwibbögen in den Fenstern leuchten, ohne geschnitzte Engel auf dem Kaminsims und auf keinen Fall ohne „Stille Nacht, Heilige Nacht“, zumal ich als Leipziger unheimlich stolz darauf bin, dass dieses aus Tirol stammende Lied erst von Leipzig aus seinen Siegeszug durch die Welt angetreten hat und sein Erstdruck 1833 in der sächsischen Landeshauptstadt Dresden erfolgt ist.
Damit hatte ich nun auch schon begonnen, mich mit der Frage nach dem Warum auseinanderzusetzen.
Manches tut man einfach aus Gewohnheit. Mona hatte mich gezwungen, intensiver darüber nachzudenken, weshalb mir die Pflege mit christlichen Festen verbundenen Brauchtums wie eben des weihnachtlichen ein so großes Bedürfnis ist. Mir wurde bewusst, dass ich mich dadurch immer wieder meiner Verwurzelung in meinem Kulturkreis vergewissere. Ich verstehe mich zwar nicht mehr als Gläubiger in einem engen kirchlichen Sinne, weiß ja aber doch, dass all die Erscheinungsformen von Kultur, die in mir heimische Empfindungen wecken, in der klassischen Antike, in der Bibel und im Christentum ihren Urquell haben. Zuweilen überkommt mich bei der Ausübung von Bräuchen eine faszinierende bildliche Vorstellung. Ich sehe mich als Glied in einer endlosen Kette, als jemand, der etwas aus den Händen seiner Vorfahren empfängt, es pflegt und darauf achtet, dass es seine Nachfahren übernehmen. Hat Brauchtumspflege etwas mit dem menschlichen Urverlangen zu tun, die eigene Endlichkeit aufzuheben?
Einmal durch Mona ins Sinnieren gekommen, weiß ich jetzt auch klarer darauf zu antworten, warum mir nach dem Zusammenbruch der DDR gerade die regionale Ausprägung bestimmter Bräuche so wichtig geworden ist. 1989 war mir gleichsam über Nacht ein Stück meiner Identität abhanden gekommen. So etwas kann einen schon ganz schön aus dem Gleichgewicht bringen. Da war die Besinnung auf meine Urheimat Sachsen für mich ein Rettungsanker. Ich bin Sachse, ich war es schon immer und ich werde es bis zu meinem Tode sein. Deshalb darf es bei mir zu Weihnachten nicht irgendeinen Stollen geben, sondern möglichst einen Dresdner. Deshalb bin ich vor nicht allzu langer Zeit einmal eigens nach Seiffen, in die erzgebirgische Hochburg der Weihnachtsschnitzerei, gefahren, um mir dort eine der sogenannten Weihnachtsspinnen zu kaufen. Deshalb bevorzuge ich Pulsnitzer Lebkuchen, obwohl ich Nürnberger natürlich nicht verschmähe. Deshalb vermögen weder „Merry Christmas“ noch „Jingle Bells“ in mir so warme Gefühle zu wecken wie das Weihnachtslied vom Räuchermännchen, das man im Erzgebirge singt:
Die schönste Weihnachtsfreude empfinde ich, wenn sich am Heiligabend die gesamte Familie bis hin zu den Urenkeln einträchtig um den festlich geschmückten großen ovalen Ausziehtisch im Wohnzimmer versammelt und der Bescherung entgegenfiebert. Heute, da speziell in den westlichen Ländern Vereinzelung, Entfremdung und Vereinsamung in geradezu beängstigender Weise um sich greifen, erkenne ich als den vielleicht wichtigsten Sinn von Festtagsbräuchen immer deutlicher die Aufgabe, dieser Tendenz durch die achtsame Pflege der eigenen Familien- und Freundschaftsbande entgegenzuwirken, dabei nicht zuletzt auch durch liebevoll ausgewählte kleine Geschenke.
Genau, hakte an dieser Stelle Mona ein. Ich muss Mona den treuen Lesern von Papyrus nicht ausführlich vorstellen, denn das hat Angelika Marks vor wenigen Jahren bereits einmal mit ihrem Beitrag „Mona, die Ägypterin“ getan. Hier genügt, dass ihr vollständiger Name Mona Ragy Enayat lautet, dass sie aus Kairo stammt, seit 1988 in Leipzig lebt, ein begnadetes Multitalent ist und den Menschen ihrer Umgebung immer wieder höchste Achtung abnötigt, weil sie alles, was sie anpackt, leidenschaftlich tut. Sie begeistert als eigenwillige Malerin ebenso wie als originelle Buchillustratorin, stimmgewaltige Sängerin und Meisterin auf der orientalischen Laute, der Oud. Nicht minder erfolgreich ist sie aber auch als Arabischlehrerin und Kunsterzieherin. Mona ist ein Phänomen. Und über ägyptische Bräuche weiß vielleicht keine so gut Bescheid wie sie, denn sie hat ihre Diplomarbeit an der Leipziger Hochschule für Grafik und Buchkunst 1992 eben darüber geschrieben, d.h. der genaue Titel lautete „Ägyptische Volkssymbole in Religion und magischer Tradition“.
Sie könne mir in vielem beistimmen, sagte sie. Es gäbe in Ägypten viele Analogien und Parallelen. Die Pflege des Brauchtums diene am Nil ebenfalls vor allem der Sinn-, Identitäts- und Integrationsstiftung. Es gehe darum, den sozialen Zusammenhalt in der Familie, im Freundeskreis, in der Nachbarschaft, in Volksgruppen und Religionsgemeinschaften zu festigen und Höhepunkte im Jahresablauf zu schaffen. Und wie in anderen Kulturkreisen wurzele auch in den arabischen Ländern vieles in Kulten und Ritualen der Vorzeit, im Falle Ägyptens speziell in der pharaonischen Kultur. Das Überkommene erfahre dabei in den einzelnen Religionsgemeinschaften eine spezielle Ausprägung. Typisch für Ägypten sei, dass der ursprünglich mit vielen Ritualen verbundene starke Aberglaube sich in den unteren Volksschichten noch sehr lebendig erhalten habe. Eine große Rolle in diesem Zusammenhang spielen, so Mona, schon im Altertum als magisch angesehene Zahlen wie die Sieben und die Vierzig sowie tradierte rituelle Handlungen, mit denen der ‚Böse Blick‘ gebannt und für ein gutes Kismet gesorgt werden soll. Wichtiger Bestandteil vieler Bräuche ist die Verteilung von Geschenken, fantasievoll geschmückte bunte Figuren aus Zuckerwerk sind dabei die absoluten Favoriten, die Jungen bekommen Zuckerreiter und die Mädchen Zuckerpuppen.
Fast alles, was Mona dann über einzelne Bräuche erzählte, war für mich neu und hoch interessant, denn wir hatten in unserer Ägyptenzeit leider nur wenige Volksbräuche selbst kennengelernt. Eigentlich nur einen einmal hautnah. Wir lebten damals in einem Zweifamilienhaus in Dokki. Unerwartet bekamen wir zum Opferfest (Id ul-Adha) Besuch von unserem Hauswirt. Er stand mit einer Schüssel voll frischem Hammelfleisch vor unserer Tür und erklärte uns, dass es für einen begüterten Muslim zum Kurban Bayrami heilige Pflicht sei, ein Schaf oder eine Kuh zu schlachten, das Fleisch dann zu dritteln und je ein Drittel an bedürftige Menschen und an Freunde zu verteilen. Die Frage, zu welcher Kategorie er uns zählte, ließ er dabei offen. Ob sein Bild von der DDR dabei eine Rolle gespielt hat?
Alles wiederzugeben, was Mona erzählt hat, erlaubt der zur Verfügung stehende Platz nicht. Aber allein die Rituale, die mit der Geburt verbunden sind, vermitteln schon ein recht aufschlussreiches Bild. Sieben Tage nach der Geburt ihres Kindes laden die Eltern Verwandte und Bekannte zu einem Fest ein. Jeder Gast bekommt eine Tüte mit Süßigkeiten, in der sich auch eine mit einem Text versehene Kerze befindet. Das Neugeborene spricht die Gäste damit an, nennt seinen Namen und bittet alle, seine Freunde zu werden. Ein uralter Brauch ist auch, dass Mutter und Großeltern mit Kupfergerä lauten Krach erzeugen. Damit soll das Kind nach dem langen ruhigen Schlaf im Mutterleib zum Leben aufgeweckt werden. Der Abwehr des ‚Bösen Blickes‘ gilt das folgende Ritual. In ein Sieb auf dem Boden werden sieben Samenkerne von Hülsenfrüchten gelegt. Die Mutter steigt dann sieben Mal mit dem Kind über dieses Sieb und wirft danach die Samen hoch in die Luft. Zu den Geburtsritualen gehört ferner, dass sich die Gäste hinter der Mutter mit brennenden Kerzen zu einem Zug formieren. Wenn sich der Zug in Bewegung setzt, stimmen alle ein Lied an, in dem Gott gebeten wird, dem Kind ein glückliches Leben zu schenken. Mit Bedeutung aufgeladen sind auch die Geschenke, die die Kindeseltern gewöhnlich allen Kindern unter den Gästen überreichen. Zumeist wählt man dafür Schmuckstücke mit türkisen oder anderen blauen Steinen, weil diesen von alters her eine bannende Kraft gegen das Böse zugeschrieben wird. Deshalb bevorzugt man auch altägyptische Schmuckformen wie den Lebens- bzw. Nilschlüssel oder das Auge des Horus. Es darf auch eine Fatimahand sein. Eine heikle Sache ist es, das Neugeborene unbedacht für irgendeine Eigenschaft wie etwa sein Aussehen zu loben, weil alter Aberglaube besagt, dass man dadurch Neid und somit Unglück heraufbeschwört. Die Mutter muss in solch einem Fall sofort abwehrend die Hand erheben, es sei denn der Lobende hat die Aufrichtigkeit seines Lobes ausdrücklich im Namen Allahs oder, wenn er ein Christ ist, beim Kreuze Christi versichert.
Am Ende kam Mona dann auch noch auf Weihnachten in Ägypten zu sprechen. Von den koptischen Christen werde es immer sehr festlich begangen, allerdings nicht am 25. Dezember, weil sich die Kopten an einen eigenen Kalender halten und der darin für ihre Festdatierung maßgebliche 29. Tag ihres Monats Khiakh im jetzt allgemein gültigen Kalender auf den 7. Januar fällt. Aber auch immer mehr Muslime ließen sich von der Weihnachtsstimmung anstecken und nähmen gern an Weihnachtsfeiern in ihrer Nachbarschaft teil. Manche brächten sogar selbst an diesem Tag eine Gans auf den Tisch und fänden das religiös durchaus korrekt, schließlich sei im Koran die Geburt Jesu ausführlich beschrieben (vgl. Sure 19,16-33). Umgekehrt nähmen auch viele Christen Anteil an den muslimischen Festtagen. Nur in bestimmten politisch aufgeheizten Situationen kämen solche schönen Gesten des wechselseitigen Respekts weniger zum Tragen. Ihr selbst sei Weihnachten seit ihrer Kindheit bestens vertraut, denn sie habe in Kairo eine französische Schule besucht.
(Bildnachweis: privat, 1 und 2 -Dr. Landmann; 3, D.Klementa; 4, Mona Ragy Enayat)