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Besten Dank, Frau Dr. Schavan,

2013 8. Februar
von Martin Löschmann

nach ein paar Fitness-Übungen macht sich der Geist frei und zieht seine Bahnen. Im Cafe Sowohl als Auch im Prenzelberg komme ich wieder mal ins Gespräch mit einem Wende-Weggefährten. Er fragt mich, was ich denn von der Sache mit Frau Dr. Schavan hielte. Ob ich denn wüsste, dass sie nur die Promotion als einzigen akademischen Abschluss habe. Mit Blogstolz verweise ich auf meine Zwischenbilanz II, in der ich meine Verwunderung digitalisiert habe, dass es in der Bundesrepublik möglich war, ohne vorgängigen Abschluss zu promovieren.

Eine Woche später kritisiert mich der Wendegefährte wegen meiner stoischen Toleranz. Da ich nicht die genauen Umstände kennte, verharre ich auf meiner Position und formuliere mein Dankeschön an Frau Schavan, denn immerhin habe sie uns durch ihre Plagiatsaffäre gezeigt, was in Deutschland möglich war. Überdies könne einem Genie das Überspringen lästiger Zwischenstufen durchaus gewährt werden, ebenso richtig sei aber auch, ein Genie müsse nicht abschreiben.
Ich sei ihr zudem auch dafür dankbar, dass die Diskussion um ihre Dissertation zeige, dass bewährte Evaluierungskriterien bei der Beurteilung wissenschaftlicher Leistungen wieder in den öffentlichen Diskurs eingebracht würden, die in der Wendezeit bei der demütigenden Ersetzung der DDR-Elite in nicht wenigen Fällen über Bord geworfen wurden. Da hätte man doch schier an der Demokratie verzweifeln können. Wie ich das meinte?

Die Evaluierungsunternehmungen zur Wendezeit haben mit Schavans Plagiatsgeschichte kaum etwas zu tun. Hier der Versuch, wissenschaftliche Leistungen im Schnellverfahren einzuschätzen, dort die Beurteilung eines allerdings schwerwiegenden technischen Problems, das ethische Dimensionen hat. Die Schnittmengen, die Schavans Fall und ‚Wende-Fälle‘ betreffen, sind eigentlich denkbar gering, und man könnte sich fragen, wird hier nicht etwas an den Haaren herbeigezogen, wenn es nicht bestimmte Evaluierungskriterien gäbe, die für beide Beurteilungsunternehmungen zu bedenken gewesen wären bzw. sind.

Da ist einmal der Vergleich mit anderen Wissenschaftlern und -innen, mit anderen Doktoranden. Immer wieder wird ihre Fehlleistung mit denen des nassforschen von Guttenberg verglichen. Klar, der ist nicht zu übertreffen, soweit sei unsere Bundesministerin nicht gegangen. Unsauber sei sie nur mit der Zitierung umgegangen. Fazit dieses gewiss auch irgendwie hinkenden Vergleichs könnte doch nur lauten: Besser, sauberer, weniger im Vergleich mit X, deshalb Freispruch. Doch ein solcher Vergleich ist rein quantitativ geführt, die qualitative Seite wird dabei vernachlässigt. Prinzipiell schließen Evaluierungen jedoch Vergleiche mit anderen Personen nicht aus. Wieso Vergleiche mit anderen Fachvertretern damals in meiner Evaluierungskommission einfach abgewiesen wurden, bleibt bis heute unverständlich, selbst bei Nennung des anerkannten Fremdsprachendidaktikers aus der Bundesrepublik Prof. Eberhard Piepho finstere Mienen um mich herum.

Ein zweites Argument zielt auf Qualitätskontrolle. Schavans Diss. läge 30 Jahre zurück, Verjährung wird angemahnt. Doch wann verjährt  möglicher geistiger Diebstahl? Verjährt er überhaupt? Die Antwort ist gewiss nicht eindimensional zu finden, wenn man bedenkt, was alles irgendwann verjährt. Indes, wissenschaftliche Leistungen müssen stets und ständig Qualitätskontrollen standhalten, keine Frage, nur die können nicht ahistorisch durchgeführt werden. Die Damen und Herren der Kommission, die mich evaluierten, scherte das kaum, sie verfügten vorgeblich über den absoluten, unanfechtbaren Maßstab. Allerdings ist einzuräumen, für das Zitieren gab es schon seit geraumer Zeit allgemein verbindliche Festlegungen – in Ost und in West, die mussten wir einhalten und Frau Schavan selbstverständlich auch.

Ein dritter Diskussionspunkt bezieht sich auf die Zusammensetzung der Kommission, die den Plagiatsverdacht untersuchte. Es seien zu wenig Vertreter und Vertreterinnen ihrer Fachdisziplinen, z.B. nicht genügend Erziehungswissenschaftler ins Beurteilungsgremium berufen worden. Wenn es sich so verhielte, müsste man da schon etwas korrigieren, kein Zweifel, wenngleich Plagiate unter Umständen auch von fachfernen Wissenschaftlern auszumachen sind. In meinem Fall, der, um keine Missverständnisse aufkommen zu lassen, nichts mit Plagiaten zu tun hatte, dominierten ganz eindeutig Linguisten, obwohl ich mich unverkennbar als Fremdsprachendidaktiker/Deutsch als Fremdsprache ausgewiesen habe. Hinzukommt, dass sich darunter Vertreter der Forschungsabteilung des Herder-Instituts befanden, die einem gleichgeordneten Wissenschaftsbereich wirkten und mit dem Bereich Didaktik Deutsch als Fremdsprache in konkurrierendem Wettbewerb standen.

Viertens reklamiert Frau Schavan mit Recht für sich eine unabhängige Kommission. Allerdings vermag ich nicht einzusehen, wieso das Düsseldorfer Gremium befangen sein soll. Es sei denn, man unterstellt ihm unlautere politische Absichten. Doch dafür gibt es wohl kaum Anhaltspunkte. Dagegen ist unbestritten, dass mit den wendisch eingerichteten das Ziel verfolgt wurde, den nach bundesdeutschem Verständnis zu ‚hohen Besatz‘ an Hochschullehrern in Ostdeutschland zu reduzieren. Folglich waren sie schon deshalb nicht unabhängig, wie hätte ich unter diesen Bedingungen eine unabhängige Kommission fordern können, zumal ich bis heute nicht in Erfahrung bringen konnte, wie diese Evaluierungskommissionen überhaupt realiter zustande kamen. Wer hat z.B. Prof. Bausch zum Vorsitzenden der Fachkommission gekürt, die mich beurteilen sollte.

Schließlich finde ich es auch nicht in Ordnung, dass Frau Schavan vom Beratungsergebnis des Promotionsausschusses aus der Zeitung erfuhr. Doch kann es ein Trost für sie sein, dass es zur Wendezeit offensichtlich Evaluierungskommissionen gab, die irgendwelche Urteile fällten, den Betroffenen aber das Ergebnis ihrer Befindungen nicht mitteilten, geschweige denn begründeten. Ich jedenfalls habe kein diesbezügliches Schriftstück erhalten. Folglich hatte ich auch keine Handhabe, erneut vor Gericht zu gehen, was Sie, Frau Dr. Schavan, fest entschlossen sind zu tun. Ihr gutes Recht, meins war es leider damals nicht. Man darf gespannt sein, wie ihr Prozess ausgeht. Mein Rechtsanwalt hatte mich im Falle des Falles schon drauf eingestimmt, dass solche Prozesse ganz schwer zu gewinnen sind. In meinem Fall wäre es ja auch nicht um die Aberkennung eines Doktortitels gegangen. Es lebe der große Unterschied, Frau (Dr.) Schavan.

Wer sich für die Chronologie der Plagiatsaffäre im einzelnen interessiert, könnte z. B. die folgende Adresse aufrufen:
http://www.dw.de/dr-a-schavan-chronologie-der-plagiatsaff%C3%A4re/a-16586317

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