Zugeordnet und eingeordnet und auf der Schwarzen Liste
So, jetzt reicht es erst einmal mit der Auseinandersetzung mit meinem Fall in der Wendezeit, lehne mich in den Sessel gelassen zurück. Doch kaum habe ich es mir darin so recht bequem gemacht, gerät die Dissertation von Peer Pasternak wieder einmal in meinen Blick und raunt mir zu: Noch darfst du nicht innehalten, dein Fall kann mit Pasternaks Hilfe zugeordnet und eingeordnet werden. Also weiter:
„Demokratische Erneuerung“. Eine universitätsgeschichtliche Untersuchung des ostdeutschen Hochschulumbaus 1989 – 1995. Mit zwei Fallstudien Universität Leipzig und Humboldt-Universität zu Berlin, 1998 vom Fachbereich 1 (Pädagogik) der Carl von Ossietzky-Universität Oldenburg zur Promotion angenommen. In: Wittenberger Hochschulforschung, hrsg. von Jan-Hendrik Olbertz. Deutscher Studien Verlag.
Der Verfasser (geb. 1963) gibt seit 91 die Zs. Hochschule heraus und ist seit 1997 am HoF-Institut für Hochschulforschung an der Uni Wittenberg sowie als Lehrbeauftragter für Politikwissenschaft an der Uni Leipzig tätig. Die Dissertation untersucht, wie aus dem Titel hervorgeht, die Veränderungen in den Universitäten der ehemaligen DDR in dem angegebenen Zeitraum, die landläufig unter dem Begriff „Demokratische Erneuerung“ (die Anführungszeichen sind von Pasternak gesetzt) zusammengefasst werden. Ein zentrales Anliegen der Arbeit wird so formuliert: Welche demokratische Qualität kann einem – infolge des Zusammenbruchs des staatssozialistischen Systems – vollzogenen Hochschulumbau attestiert werden, der sich in der Absicht und Einschätzung der prozeßbeteiligten einschließlich der prozeßbestimmenden Akteure als ‚demokratische Erneuerung‘ apostrophiert fand? (S.18)
Wer sich über die komplexen widerspruchsvollen Umgestaltungsprozesse und deren Bewertung über die in diesem Blog beschriebene Fallperspektive hinaus genauer informieren will, findet in diesem Werk genügend aufschlussreiches Material und faktenbasierte Zuordnungen, Einordnungen und verallgemeinernde Bewertungen. So deckt sich meine Einschätzung der ‚Hochschulerneuerung‘/des ‚Hochschulumbaus‘/des Transferprozesses mit der Auffassung, die Meyer (Hg.) in „Neugestaltung der Hochschulen in Ostdeutschland. Szenarien – Friktionen – Optionen – Statistik“ (93) vertritt: „Das ostdeutsche Hochschulwesen, statt es von den politischen Vereinnahmungen des DDR-Regimes zu befreien, wurde nachträglich politisch überwölbt. Es wurde als wissenschaftliches System verworfen, und es wurde als Verortung einer abzuschaffenden wissenschaftlichen Elite wahrgenommen.“ (S.30)
Die vorgenommene Aufarbeitung könnte Blogleserinnen und Blogleser ermöglichen, sich ein eigenes Bild von dem zu machen, was sie womöglich gerade hier gelesen haben, z.B. in dem Beitrag Verjagt mit keinem guten Grund. Die Lektüre der Dissertation lohnt sich auf jeden Fall, auch deshalb, weil die Narration einen relativ breiten Raum einnimmt und sie einen hohen Erinnerungswert für am umwälzenden Wendegeschehen Interessierte hat. Verständlicherweise interessierte mich im gegebenen Kontext besonders das Kapitel III Empirische Probe aufs demokratische Exempel I: Die Personelle Erneuerung der (Karl-Marx)Universität Leipzig 1989 – 1995, weil darin indirekt an den verschiedensten Stellen auch mein Fall behandelt wird, obwohl das Herder-Institut darin keine Rolle spielt, die es da auch nicht spielen muss.
Ich will mich auf wenige ergiebige Bezugspunkte beschränken, die das, was ich bisher über meine erste Entlassung schrieb, in der einen oder anderen Hinsicht bekräftigen können. Um nahe am Text zu bleiben, wird hier mit Absicht relativ viel zitiert. Die entsprechenden Zitate werden durch die Seitenangaben markiert. Die Literatur, auf die sich der Autor bezieht, wird nicht dokumentiert. Sie kann ja jederzeit im Original gefunden werden. Die Zitate aus den Quellen werden durch ‚…‘ markiert.
Kein Einzelfall
Wenngleich es „keine genaueren Zahlen zu den Empfehlungen der Personalkommissionen, den daraufhin erfolgten Kündigungen und ggf. erfolgreichen gerichtlichen Anfechtungen solcher Kündigungen“ gibt, werden immerhin 50 „erfolgreich angefochtene Kündigungen“ an der Leipziger Universität ausgemacht. Damit haben wir eine Einordnungszahl. Was Sachsen insgesamt anlangt, so wird von 333 Gekündigten gesprochen, die Arbeitsgerichte angerufen haben, von denen immerhin „20 mit klagestattgebenden Urteil“ endeten. Ich falle mithin unter diese Kategorie. Es gab zudem 26 Klageabweisungen, 55 Klagerücknahmen, 157 ordentliche Kündigungen ohne Abfindungszahlung (Vergleich), 32 durch einvernehmliche Auflösung ohne Abfindungszahlung. (Vgl. S.178). Wie jede Statistik so hinkt auch diese. Ich kenne mehrere ehemalige Universitätsangehörige, die den Weg zum Arbeitsgericht aus den verschiedensten Gründen nicht fanden, obwohl sie auf Grund meiner Erfahrungen Aussicht auf Erfolg in der einen oder anderen Weise gehabt hätten: Unwissenheit, Skepsis gegenüber den westdeutsch durchsetzten Gerichten, Eingeschüchtertheit, Niedergeschlagenheit, Überschreitung der Klagefrist u.v.m. könnten diese Betroffenen abgehalten haben.
Schwarze Listen
Obwohl lange Zeit vom Bildungsministerium bestritten, war mir vom Beginn ihrer Existenz bekannt, dass das Wissenschaftsministerium eine Schwarze Liste erstellt hatte, die einem Berufsverbot in Sachsen gleichkam. Obwohl die Namen natürlich bis heute nicht preisgegeben wurden, der meinige steht mit Sicherheit darauf – dank der Personalkommission unter Frau Dr. Ulla Fix. Ich wähle hier das Präsens mit Bedacht, weil mir bis jetzt nicht zu Ohren gekommen ist, dass sie nachweislich vernichtet worden sind oder gar mein Name nach dem klaren Ausgang des Arbeitsgerichtsurteils gestrichen worden wäre. Eigentlich hätte man die Herausgabe und die Vernichtung einer solchen unanständigen, undemokratischen Liste erklagen müssen, aber dazu ist es jetzt ohnehin zu spät und das ist auch keine Forderung, die etwa Pasternak erhebt. Er spricht u.a. von einer „datenschutzrechtlichen Havarie“ zum Jahresende 1992 hin (S.185), an anderer Stelle kommt ihm das entsprechende Vorgehen „merkwürdig“ vor: „Der Wissenschaftsminister hatte damals ‚eine Liste aller Personen, für die ich (d.h.: er – ML) mangels persönlicher Eignung ein Kündigungsverfahren eingeleitet hatte‘, erstellen und an die sächsischen Rektoren verschicken lassen. Auf diesen fanden sich nicht allein sämtliche Personen verzeichnet, die bereits rechtskräftig aufgrund von Personalkommissionsempfehlungen gekündigt worden waren. Vielmehr umfassten die Listen auch all diejenigen, bei denen noch Arbeitsgerichtsprozesse liefen, dazu solche, die bislang noch keine Kündigung erhalten hatten (aber wohl eine erhalten sollten), und schließlich einige, die ‚Mangels Bedarf‘ entlassen worden waren. Insgesamt enthielten die Listen 884 Namen.“ (S.187f.) Na wunderbar!
Personalkommissionen im Gegenlicht nicht unumstritten
Man muss Pasternak, auch wenn ihm nicht in jedem Fall zugestimmt werden kann, bescheinigen, dass er um eine ausgewogene Einschätzung der Arbeit der Personalkommissionen bemüht ist. Er kommt aber nicht umhin, einzelne Kündigungsfälle und Stellungnahmen S.179ff.), in denen ich meinen Fall in der einen oder anderen Form wiederfinde, kritisch zu beleuchten, weil sie halt für jedermann ersichtlich problematisch sind. So hält er fest: „Solche Vorkommnisse, für mediale Verwertung höchst geeignet, beschädigten den von vornherein mit prekären Erwartungen und Verdächtigungen versehenen Personalüberprüfungs-Prozeß in seiner – auch außeruniversitären – öffentlichen Wahrnehmung… Damit war ein in der Tat bestehendes Problem benannt, für das sich auch keine unmittelbare Lösung anbot. Doch herrschte öffentliches Unwissen nicht nur über die jeweiligen personenbezogenen Entscheidungsgründe. Auch das tatsächliche Entscheidungsverfahren war unbekannt, soweit es nicht bereits in der PK-Arbeitsordnung geregelt war.“ (188f.) Zugleich wird hervorgehoben, dass die Kommissionsvertreter von einem bestimmten Zeitpunkt an versuchten, „zumindest diese Verfahren der PKs transparenter werden zu lassen.“ Davon habe ich allerdings nichts gemerkt. In diesem Zusammenhang zitiert der Autor die in meinem Blog schon mehrmals aufgeführte Ulla Fix (1995): ‚Um laut und leise geäußerten Verdächtigungen gegenüber der Arbeit solcher Kommissionen einmal etwas Handfestes entgegenzusetzen …Dann wird nämlich deutlich, daß der Vorwurf, in den Kommissionen seien die Machtverhältnisse nur umgekehrt worden oder gar, hier herrsche üblerer Machtmissbrauch als in der DDR, eindeutig falsch ist‘. (S. 189f.) (Warum eigentlich ‚eindeutig falsch‘, möchte man die Textlinguistin fragen?) Auch wenn von mir solche Verdächtigungen nicht ausgesprochen worden sind, kann ich der Vorsitzenden der Personalkommission Dr. Ulla Fix beim besten Willen folgende Vorwürfe, die durch Untersuchungen von Pasternak gestützt werden, nicht ersparen:
- Bei ihm ist zu lesen, dass jeder Beschuldigte das Recht hatte, eine „schriftliche Selbstdarstellung des ihm zur Last gelegten Sachverhalts vorzulegen“ (S. 189). In meinem Fall Fehlanzeige, von mir in verschiedenen Texten jedoch immer wieder moniert.
- „Zuvor hätten die Beschuldigten die Möglichkeit gehabt, in die Akten einzusehen und mit den Unterlagen und mit PK-Mitgliedern über die Verfahrensweise in einem rechtlichen Gehör zu sprechen.“ (S.189) Fehlanzeige. Frau Dr. Ulla Fix hat im Gegenteil mir persönlich den Rat gegeben, keine Recherchen vorzunehmen, nichts zu meiner Entlastung zu unternehmen: ‚Ich würde dadurch alles nur noch schlimmer machen‘ (Telefongespräch). Was in meinem Fall ‚schlimmer‘ sein könnte, hat sie mir bis heute nicht klar machen wollen. Ich werde es Frau Fix nicht unterstellen, aber sehr fern scheint mir ihr damaliges Kommissionsverständnis nicht von jenem Vorsitzenden einer Personalkommission zu liegen, den die Rechtsanwältin Gäbelein zitiert: Nicht uninteressant ist auch die Äußerung einer Leipziger Rechtsanwältin, „die an der gerichtlichen Nachbereitung der PK- Entscheidungen intensiv beteiligt war“, und hierzu formulierte: „So hätten die Personalkommissionen zwar nach §78 Abs. 2 SHEG den Betroffenen Gelegenheit zur Stellungnahme zu allen von ihr herangezogenen Unterlagen gewähren müssen. Doch sei das in keinem der von ihr bearbeiteten Fälle geschehen. Es wäre dies auch gar nicht möglich gewesen, da der PK-Vorsitzende nach SHEG verpflichtet war, ‚die Beschlussfassung der Kommission so vorzuarbeiten, daß eine Entscheidung in der Regel in einer Sitzung der Kommission möglich ist.‘ (§78 Abs. 3 SHEG).“ (S.189) Diese Vorschrift kannte ich bislang nicht und sie ruft noch jetzt beim Schreiben ein Aha-Erlebnis bei mir hervor. Sie erklärt mir aber nachträglich die unchristliche Hast, mit der ich abgefertigt worden war, und die verschiedenen Versuche, meine für jeden einsichtige Beweisführungen abzuschmettern, die in der kurzen Kommissionssitzung nicht zu führen waren. So wäre z.B. ein Telefongespräch mit einem Kollegen der Münchener Universität, Prof. Dietrich Krusche, erforderlich gewesen, um einen Beleg für meine Beweisführung vorlegen zu können. (vgl. Verjagt mit keinem guten Grund in diesem Blog.)
- Es geht aber noch weiter: „Auch der Umgang mit den schriftlichen Stellungnahmen der Anzuhörenden sei anfechtbar gewesen“ (S.189). In meinem Fall war sie gar nicht erst erwünscht, und ich musste mit stoischer Hartnäckigkeit durchsetzen, dass meine eindeutigen Widerlegungen der an sich widersinnigen Vorwürfe überhaupt entgegengenommen wurden. Was von diesen fragwürdigen Anschuldigungen und in welcher Version weitergeleitet worden ist, bleibt völlig im Dunkeln. Richtig: Nur die im Dunkeln sieht man nicht. (Moritat von Mackie Messer)
- „Wenn dann noch der Vorsitzende sich in Zeitschriftenbeiträgen darüber beschwert, daß die Betroffenen heute alle ihnen zur Verfügung stehenden (arbeits-)rechtlichen Möglichkeiten für sich in Anspruch nehmen, anstatt freiwillig den Dienst zu quittieren, zeugt dies nicht nur von einem falschen Rechtsverständnis, sondern wirft auch die Frage nach dem Erfolg der Hochschulerneuerung auf.“ (S.191)
- „Die Person des Vertrauens, die lt. Arbeitsordnung zur Anhörung mitgebracht werden durfte, habe sich ‚auf ihren Wunsch hin im rechtlichen Gehör auch äußern können.“ (Fix 1995, 20) (S.189) Da ich gar nicht wusste, was mir hätte zur Last gelegt werden können, hatte ich keinerlei Grund jemanden mitzubringen. Außerdem gab es ja genügend Kommissionsmitglieder, die bislang mein Vertrauen hatten, z.B. Dr. Johannes Wenzel (vgl. den Beitrag Vorteilsnehmer …), auch meine parteilose Sekretärin, Frau Renate Dähnert, genoss mein volles Vertrauen. Nur durfte ich ja sowieso keine Fragen an die Kommissionsmitglieder stellen, und sie nicht meine Fragen beantworten. Heute nach 20 Jahren kaum vorstellbar und doch ist es wahr. Für mich war die Anhörung schlicht und ergreifend, wie man heute zu sagen pflegt, eine Befragung im dilettantisch gehandhabten Verhör-Format. Mir ging es in der Tat ähnlich wie Oberarzt Christof Schindler von der Universitäts-Frauenklinik Leipzig, der von seiner Anhörung vor der PK (Th. Mayer 1992) berichtete: ‚Da sitze ich in einem einstündigen Verhör der Personalkommission gegenüber und kenne ja einen Teil dieser Herren. Professor Pliquett war zu DDR-Zeiten der Chef der DSF für die Mediziner, Professor Reuter (übrigens lange Zeit mein mich behandelnder Arzt – ML) wirkte gesellschaftlich als AGL-Mann, und der Leiter der Kommission, Professor Matzen, hatte seine Meriten in der Zivilverteidigung.‘ (S.187)
- Da konnten sich schon ‚gemischte Gefühle‘ (S.185) einstellen, zumal wenn man wie ich etwas blauäugig in die Anhörung hineinspaziert war.
- Während in manchen Entlassungsbegründungen keine konkreten Tatbestände formuliert waren, obwohl nach Anl. I Kap. XIX Sachgebiet A Abschn. III Ziff. 1 Abs. 5 Einigungsvertrag gefordert (vgl. S.179), enthielt mein Entlassungsschreiben zwei konkrete Gründe. Doch sie waren nachweislich falsch bzw. irreführend, ganz abgesehen von schlampigen, unkorrekten Formulierungen, von denen ich natürlich nicht weiß, ob die Zuarbeit der Personalkommission unter Fix dafür verantwortlich zu machen ist oder das Dresdener Wissenschaftsministerium.
- Und wenn „Ulla Fix, Sprecherin einer Personalkommission in Leipzig“ (S.190), sich in einem ‚Umfeld, in dem verharmlosendes und zurechtgedeutetes tendenziöses Erinnern … eher das Normale ist‘ und ‚die ‚Arbeit einer Personalkommission Erinnerungsarbeit, Erinnerungsarbeit in dem Sinne, daß versucht wird, ein Stück individueller und kollektiver Vergangenheit so objektiv wie möglich zu rekonstruieren‘ (Fix 1995, 19), so kann ich hier nur lapidar konstatieren, da überschätzt sie die Arbeit der Personalkommissionen gewaltig. Als Wissenschaftlerin müsste sie doch wissen, dass solche eindeutig politisch definierten Schnellüberprüfungsverfahren in einer überhitzten, auch von Existenzängsten geprägten Atmosphäre der Beschuldigten nur bedingt zur objektiven Vergangenheitsbewältigung beitragen können. Ich z.B. hatte überhaupt keine Gelegenheit in der kurzen Zeit meiner Anhörung mitzuhelfen, ‚individuelle und kollektive Vergangenheit zu rekonstruieren‘. Auf den schönen Schein wissenschaftlicher Aufarbeitung der Vergangenheit durch die Personalkommissionen hätte sie mal getrost verzichten sollen.
Schließlich will ich nicht verhehlen, dass ich mich schon gelegentlich gefragt habe, wieso gerade zwei Mitglieder ‚meiner‘ Kommission und die Vorsitzende selber zur Professorin bzw. zum Professor nach der Wende berufen worden sind, Dr. Horst Weber aber nicht, obwohl er einen der zwei ‚Entlassungsgründe‘ lieferte, aber dann ohne Entschuldigung der Gerichtsverhandlung fernblieb, zu der er schriftlich geladen war. Überhaupt wäre es doch erhellend, wenn einmal gründlich untersucht würde, nach welchen Kriterien nach der Wende tatsächlich berufen worden ist und wie sich die Berufenen in Forschung und Lehre bewährt haben. Dass aus dem ‚Westen‘ die ‚zweite Garnitur‘ eine Chance erhielt, ist wohl heute weitgehend unbestritten. In meinem Kopf spuckt eine Zahl herum, die ich leider noch nicht belegen kann (und auch eigentlich gar nicht belegen will, weil die genaue Zahl nicht so wichtig ist): 1989 hätte es etwa rund 1000 arbeitslose Germanisten gegeben, die mit Vehemenz auf den ostdeutschen Arbeitsmarkt drängten.
Kriterien zur Überprüfung
Mit großem Interesse habe ich das Ringen um den Kriterienkatalog zur Integritätsüberprüfung gelesen, das in dieser Arbeit aufwändig recherchiert ist. Die Kriterien hier im Einzelnen darstellen zu wollen, ginge weit über diesen Blogbeitrag hinaus. Sollte es jemanden geben, der sich dafür interessiert, könnte derjenige oder diejenige die notwendigen Informationen über Löschmann einholen und sie an den entsprechenden Kriterien messen. Ich versichere, man wird kaum ein Kriterium finden, das zwingend meine Entlastung rechtfertigte, es sei denn der Lehrstuhl/der entsprechende Aufgabenbereich wäre weggefallen.
Das heißt natürlich nicht, dass ich mich einer kritischen und selbstkritischen Aufarbeitung meines Lebens- und Arbeitsweges verweigere. Ich denke, das ist bereits in dem herderblog angezeigt und wird sich dort und in meinen Bruchstücken der Erinnerung fortsetzen.
Herr Prof. Reuter, ich lebe noch.
Im Zusammenhang mit der Erarbeitung des obigen Beitrages stieß ich auf Ihren Namen und Erinnerungen an meine Arztbesuche in der Gerontologie über Jahre hinweg stellten sich ein. Ich weiß natürlich nicht, ob Sie sich überhaupt noch an mich erinnern können. Doch wohl eher nicht.
Aber ich schon, denn womöglich haben Sie mit der Entscheidung, mich 1993 in die Herzchirurgie zu überweisen, mein Leben gerettet. Und nun lebe ich immer noch, und zwar in Berlin.
Ich glaube, Sie haben meine Überweisung schon als in der Wendezeit frisch berufener Professor vorgenommen. Anders als viele Ärzte, denen man heute gern nachsagt, sie hätten keine Zeit mehr für Gespräche, fanden Sie immer Zeit für eine kurze persönliche Konversation. So haben wir einmal über das von beiden Löschmanns in Arbeit befindliche literarische Lesebuch „Einander verstehen“ gesprochen. Ob der Band noch in Ihrer Bibliothek steht?
In einem dieser kurzen Gespräche haben Sie einmal auch gefragt, was ich denn von Frau Dr. Ulla Fix hielte, der Vorsitzenden einer Personalkommission, die ja auch um diese Zeit berufen wurde. Ich dächte, ich hätte mich damals mit meinem Urteil vornehm zurückgehalten, aus welchen Gründen auch immer. Im obigen Text werde ich deutlicher. Vielleicht interessiert Sie meine etwas ausholende Antwort 20 Jahre später noch, vielleicht auch deshalb, weil Sie ja Mitglied der Personalkommission an der Medizinischen Fakultät waren, wie man dem Zitat in meinem Text entnehmen kann.
Oooooooh Martin,
da hast du aber wieder einmal „tief geschürft“. Der Beitrag lässt mich noch einmal die damaligen Ereignisse erinnern. „Die politische Überwölbung“ des sogen. demokratischen Erneuerungsprozesses, von dem du schreibst, war ja sowieso aufgesetzt, weil die neuen Herren an einer demokratischen Aufarbeitung der wissenschaftlichen Leistungen an den Unis und Hochschulen nicht interessiert waren. Das trifft natürlich im besonderen Maße auf die intellektuelle Elite der DDR zu.Ich erinnere dich an das Baring-Zitat, das ich dir mal schrieb, der bei der Gelegenheit schon mal ganz pauschal weite Teile der Bevölkerung der östlichen Landesteile als nicht mehr „zu gebrauchen“ einschätzte. Da schließt sich für mich wieder ein Kreis.
Auf ein Buch wollte ich dich schon seit längerer Zeit aufmerksam machen. Jetzt muss es einfach sein, es passt recht gut zu deinem Beitrag.In seinem Buch „Fette Beute“ geht der Autor z. B. dieser zielgerichteten politischen „Aufarbeitung“ im Bereich der „Treuhandgeschäftsstelle“ in Leipzig ebenfalls nach. Übrigens musste der Autor, Münzberg, so wie du vor Gericht gehen, um seine diletanttisch vorbereitete Kündigung erfolgreich rückgängig zu machen.
Auf welcher Basis die von dir erwähnten Kommissionen zusammengestellt waren bzw. welche Kriterien der personellen Auswahl zugrunde lagen, erschließt sich mir bis heute nicht. Man muss schon davon ausgehen, dass die Ergebnisse vorher feststanden und im Nachgang „demokratisch“ legitimiert werden sollten. In diesem Rahmen kann ich mir die „schwarzen Listen“ oder waren es „rote“ ganz gut vorstellen, wenngleich das bis heute vehement bestritten wird.
Kurzer Kommentar zu der Sache mit den SCHWARZEN LISTEN.
Unglaublich, aber wahr!
Und ich kann eine persönliche Erfahrung beitragen:
1992 war es wohl, als ich mich um eine Professur für Deutsch als Fremdsprache an der Hochschule Zittau bewarb. Nach dem Auswahlverfahren stand ich an erster Stelle der Bewerberriege. Bekam die Stelle nicht, hinter vorgehaltener Hand – den Namen des Informanten will ich hier nicht nennen, ist noch in Amt und Würden und hätte es sicher nicht gern – wurde mir mitgeteilt, man dürfe mich nicht zur Berufung vorgeschlagen, hätte es aus Dresden geheißen.
Also wo stand mein Name in ächtenden Lettern? Gab es gar Sippenhaft?
Damals glaubte ich nicht wirklich daran, noch viele Jahre später schien es mir eigentlich nicht möglich, dass es diese schwarzen Listen tatsächlich gegeben hat. Der Nachweis in der Dissertation von Pasternack – ein Glücksfall für meinen Seelenfrieden.
… durch Zufall fand ich folgende Rezension eines Buches, das dich auch interessieren dürfte. Allerdings glaube ich, dass du es längst kennst. In diesem Fall vergiss meine Mail einfach, aber ich habe in deinen Memoiren keinen Bezug darauf in Erinnerung und wollte wenigstens nicht darüber hinweggehen.
[PDF]Enttäuschte Hoffnungen. Autobiographische Berichte abgewickelter …
leibnizsozietaet.de/wp-content/uploads/2012/11/16_mylius.pdf
KMU; ferner berichten Irene Hinderer und Arno Hecht über Hans Hinderer. (1923-2006) …. nach Günther, Hans: Der Herren eigener Geist. Neudruck (Berlin …