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Fundsache: Das schlägt keinem Fass den Boden aus

2012 12. November
von Martin Löschmann

Zwei ehemalige Mitarbeiter des Herder-Instituts schickten mir unabhängig voneinander vor ein paar Tagen einen Artikel zu, der 20 Jahre interDaF würdigt. Diese Institution war 1992 aus dem Herder-Institut hervorgegangen. „An der Quelle Deutsch lernen“ ist der Artikel von Thomas Mayer überschrieben und erschien in der Leipziger Volkszeitung (LVZ) am 6. 11. Ein Absender weist mich auf „unseren größten Freiheitskämpfer‘ in diesem Artikel hin, der im Blog-Beitrag „Ein Vorteilsnehmer …“ beschrieben ist; der andere ärgert sich über die einseitige Darstellung des Herder-Instituts, genauer über die Fokussierung auf die wissenschaftlichen Verdienste eines einzigen Mannes am Herder-Institut, nämlich auf Prof. Gerhard Helbig, dem ersten Lehrstuhlleiter für DaF in Deutschland.

Ehrlich gestanden bewegen mich derartige Texte kaum noch, die Dinge sind schon mehrmals gesagt und auch veröffentlicht worden, ganz gleich, wer die Einflüsterer waren bzw. sind. Die Stempel sind unverkennbar: Helbig als einziges Aushängeschild, Wenzel als ein Mann, der maßgeblich an der demokratischen Umgestaltung der ehemaligen Karl-Marx-Universität beteiligt war. In Abwandlung eines berühmten Gedichts von Brecht möchte man spontan fragen: Hatte er nicht wenigstens einen nennenswerten Mitstreiter dabei? Das Herder-Institut wird pejorisiert als Geburt „staatspolitischer Auftraggeber“ und die ausufernde Beweihräucherung von Dr. Peter Gutjahr-Löser, dem ehemaligen Uni-Kanzler i.R. und jetzigen Vorsitzenden des interDaF-Vereins und dessen Erfinder Prof. Dr. Johannes Wenzel.
Nicht, dass es keine Erfolge zu vermelden gäbe, und nicht, dass nicht gesehen wird, dass die Spezifik der Textsorte Jubiläum bedient werden muss. Aber in welchem Maße das geschieht, ist mir als Leser suspekt, vielleicht auch deshalb, weil es von dieser Art Würdigung schon genügend in der DDR gab. „Zur überwiegenden Zahl verlassen uns unsere Studenten als begeisterte Botschafter Leipzigs und Deutschlands“, weiß Gutjahr-Löser zu berichten. Wo habe ich bloß so etwas Verlogenes schon mal gelesen? Ein Schelm, wer sich das fragt.

Aber gut, lass fahren dahin, es hat kein(en) Gewinn. Dennoch: Gibt es denn gar keine Probleme, neue Aufgabenstellungen, berichtenswerte Forschungen, ohne die auf Dauer wohl nirgendwo gute Fort- und Weiterbildungsarbeit zu betreiben ist? Und schließlich: Was soll der Hinweis darauf, dass Helbig ein „früherer Mitarbeiter des bekannten und berühmten Literaturwissenschaftlers Prof. Hans Mayer“ war. Hat Prof. Mayer (ich war in der Tat einer seiner vielen Schüler) nicht bereits 1963 die DDR verlassen? Helbigs Dissertation (1953) trug allerdings den Titel: Der Apriorismus in der deutschen Literaturwissenschaft und Wege zu dessen Überwindung: Versuch einer erkenntniskritischen Analyse des methodologischen Standes der gegenwärtigen Literaturwissenschaft, seine Habilitation 15 Jahre später (1968) jedoch widmet sich einer linguistischen Problematik. Helbigs Verdienste um Deutsch als Fremdsprache, verstanden als linguistische Disziplin, sind nicht zu schmälern, aber mit Literatur hatte er nun wirklich nichts am Hut, als er ans Herder-Institut kam. Ja, sie war ihm nun eher verdächtig. Ich erinnere mich noch gut daran, wie abfällig er sich einmal geäußert hat, als öffentlichte: Tagungsbericht oder Kommissar Dabberkows beschwerliche Ermittlungen im Fall Dr. Heinrich Oldenbeck. Nicht wenige DDR-DaFler und Linguisten haben den Roman seinerzeit geradezu verschlungen, Er kann bei mir heute noch ausgeliehen werden. Helbigs Kommentar (fast wörtlich!): Herr Löschmann, da können Sie mal sehen, wozu die da in der Akademie Zeit haben, die pure Zeitverschwendung.

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  1. Martin Löschmann permalink*
    September 8, 2013

    Hallo, hallo, ich will nicht der Besserwisser, auch nicht der Kleinkrämer des ‚alten‘ Herder-Instituts sein, aber wenn ich bei Frau Agnes Helbig in der gewiss schmerzvollen und auch verdienstvollen Arbeit „Nachlass von Prof. Gerhard Helbig“ (ids-pub.bsz-bw.de/fro…) lese, dass ihr Mann, der bekannte und auch berühmten Prof. Gerhard Helbig, Inhaber des Lehrstuhls für Deutsch als Fremdsprache gewesen sei, dann ist das schon zu kommentieren: Die Formulierung ist so nicht richtig, wie man aus dem Text oben ersehen kann. In der Berufungsurkunde wird Grammatik expressis verbis genannt. Überdies leitete er auch nicht die „Abteilung Linguistik innerhalb der Forschungsabteilung des Herderinstituts“, sondern den Bereich Linguistik, der allerdings wesentlich zur linguistischen Fundierung des Deutschen als Fremdsprache beitrug.

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