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Internationale Beziehungen

2011 7. Februar

Wer sich für das Anliegen des Blogs interessiert, müsste den entsprechenden Beitrag aufrufen. Wer für einen der anderen Einzelbereiche – Abteilung Erziehung u. Ausbildung, Deutschlehrer-Fortbildung, Forschungsabteilung – Interesse hat,  findet die Beiträge dazu unter den jeweiligen Stichwörtern.

Es ist eine angenehme Übung der Gedanken,  sich   hier und da zu fragen,
was aus Rom bei veränderten Umständen geworden wäre? (Herder)

Würde man die Missverständnisse und Fehlzuweisungen statistisch erfassen, die einem beim Lesen von Texten über das Herder-Institut begegnen, dann erreichte bestimmt der Bereich den Höchstwert, der die direkten internationalen Beziehungen des Herder-Instituts betrifft. Selbst mein hochverehrter Lehrer, Prof. Mayer, spricht in seinen bereits erwähnten Erinnerungen an Zeitgenossen im Kontext von Prof. Harig von „Kulturinstituten der Deutschen Demokratischen Republik im Ausland“, die „vermutlich als Folge des geglückten Erziehungs-Experiments … den Namen Johann Gottfried Herders“ (S.228) erhielten. Mitnichten. Von ganz wenigen Ausnahmen abgesehen (z. B bei der Beratung von zuständigen Institutionen bei der Auswahl von Studienbewerbern in Entwicklungsländern) wurde sowohl die Auslandsarbeit des Herder-Instituts über das Ministerium für Hoch- und Fachschulwesen in Gestalt seiner Arbeitsgruppe Deutsch als Fremdsprache geleitet als auch die der Deutschlektorate im Ausland. Als Dr. Wenzel bei seinem zweiten Finnland (äußerst selten kam man übrigens ein zweites Mal ins NSW – Nichtsozialistisches Wirtschaftsgebiet, schon gar nicht ins gleiche Land), eines Sommers nicht nach Finnland zurückkehren durfte, hatte das Herder-Institut nichts mit dieser Entscheidung zu tun. Nur so ist es auch zu erklären, dass er seine Leitungsfunktion am Institut wieder erhielt. Wäre er wegen oppositioneller Tätigkeit im Ausland aufgefallen, hätte er diese wohl abtreten müssen.

Als Cheflektor am DDR-Kulturzentrum in Finnland, einer Einrichtung der Deutsch-Nordischen Gesellschaft/Mitglied der Liga für Völkerfreundschaft, bedeutete die angetretene Arbeitsstelle für mich eine Dreifachunterstellung: MHF, Handelsvertretung (später Botschaft), Kulturzentrum. Das DDR-Kulturzentrum in Paris hingegen, an dem ich in der 80er Jahren zusammen mit Prof. Desselmann eine Weiterbildungsveranstaltungsreihe für französische Germanisten und Deutschlehrer mitgestalten durfte, unterstand direkt dem Außenministerium, und somit war auch das Lektorenehepaar Otto vom Herder-Institut diesem Ministerium unterstellt. Die weitgehende Abkopplung vom Herder-Institut führte dazu, dass die Lektoren nicht als Mitarbeiter des H-I wahrgenommen wurden, ganz abgesehen davon, dass ja nicht nur Lektoren vom Herder-Institut im Ausland eingesetzt waren. In Finnland war das Verhältnis zu unserer Zeit 3 zu 7. Von den im Ausland tätigen rund 200 Lektorinnen/Lektoren kamen in den 80er Jahren kaum mehr als 20 von unserem Institut.

Die prinzipielle Unterstellung unter das MHF schloss direkte Kontakte zum Institut jedoch nicht völlig aus. So wurden z. B. die von mir initiierten Besuche finnischer Lehrbuchautorinnen und -autoren in der DDR direkt in Kooperation mit dem Herder-Institut organisiert. Diese landeskundlich orientierten Rundreisen von finnischen Lehrbuchautoren, die von reichlich Alkoholgenuss begleitet waren, gehören für mich zu den bleibenden Erinnerungen. Anfang der 70er Jahre stand die Anerkennung der DDR bevor, die Abgrenzung zur BRD befand sich auf einem Höhepunkt. Es war unter Leitung von Prof. Rößler viel über die DDR als souveräner Staat geredet und gestritten worden. Nach dem üppigen Abendbrot stellt sich auf dem Karl-Marx-Platz in Leipzig die Frage, was anzufangen sei mit dem angebrochenen Abend. Prof. Rößler ist um Vorschläge nicht verlegen. Die Finnen hören sich alles geduldig an. Seppo Louhivaara, ihr Sprecher, richtet seine Augen auf das gegenüberliegende Hotel und sagt, von eindeutiger Gestik unterstützt, prononciert: Wir gehen natürlich in die Bar im Hotel Deutschland, so hieß dieses Hotel damals – zum Jahreswechsel 1972/73 wurde es umbenannt in Hotel am Ring, ab 1990 dann für gut zwei Jahre wieder Hotel Deutschland. Ich weiß nicht, was in Rößler gefahren war, er kam nicht mit. Das war umso verwunderlicher, als er ansonsten kein Kind von Traurigkeit war. Indem ich diese Begebenheit niederschreibe, habe ich auch jetzt keine Erklärung für sein Verhalten an jenem Abend. Obwohl nicht vom Fach hatte er sich besonders im Vorstand des IDV, des Internationalen Deutschlehrerverbandes, einen Namen gemacht und war ganz wesentlich beteiligt an der aktiven Mitarbeit der DDR im IDV, hatte zwei Kongresse in die DDR (Leipzig und Dresden) geholt und mit dem IDV-Vorstand mit großem diplomatischen Geschick die Bedingungen ausgehandelt, die die Teilnahme von DDR-Wissenschaftlern an den Tagungen in Nürnberg und Bern erlaubten. Rößler war eine herausragende Persönlichkeit, sein konsequentes Auftreten und Eintreten für die DDR verschafften ihm Respekt. Ein einprägendes Beispiel ist seine Beziehung zum Schweizer Schatzmeister im IDV Prof. Rudolf Zellweger, nun wahrlich kein Freund der DDR, der aus seiner kritischen Haltung zur DDR kein Hehl machte, und doch verstanden sich die beiden bestens.

So sehr ich seine fundierten Kenntnisse, seine Prinzipienfestigkeit, ja Unerschütterlichkeit, seine Überzeugungskraft Durchsetzungskraft schätzte, es gab Gelegenheiten, bei denen ich sein stures Festhalten an einmal Beschlossenem, an Vorgaben übergeordneter Stellen, peinlich-bedrückend empfand. Ich bin nicht sicher, war es zur IDV-Tagung in Nürnberg 1980 oder in Bern 86: Der Kongress ist zu Ende, die DDR-Delegation wieder einmal erfolgreich, entspannt in bequemen Sesseln im Foyer, kommt auch schon ein ZDF-Reporter auf uns zu, hält Prof. Rößler das Mikrophon unter die Nase: Wie schätzen Sie, Herr Prof. Rößler, die Tagung ein?Sie wissen doch, es ist vereinbart worden, dass die DDR-Delegation sich jeder öffentlichen Äußerung enthält. Die Tüte wird dann jedem Teilnehmer und jeder Teilnehmerin hingehalten und gelangt auch zu mir: Ich finde solche internationalen Tagungen immer interessant und aufschlussreich. Ich weiß nicht, wer außer mir noch etwas ins Mikrophon gemurmelt hat, aber eines weiß ich genau, ich habe Hannes hinterher wütend gesagt, wie peinlich ich die verordnete Reaktion fand und niemandem etwas aus der Krone gebrochen wäre, wenn wir uns kurz und bündig mehr oder weniger nichtssagend geäußert hätten, wenn es denn nun mal so bestimmt worden war. Stell dir doch die Wirkung vor, wenn das ZDF-Fernsehen deine Äußerung und unsere betretenen Gesichter zeigt. Sie können sich jeden Kommentar ersparen.

Andererseits muss man Rößlers konziliantes Eintreten für die vom IDV initiierten Anthologie „Dem Frieden entgegen“ sehen, an der Dr. Lutz Richter, ein Mitarbeiter der Forschungsabteilung, von DDR-Seite aus mitgewirkt hatte. Diese Anthologie von ‚Friedensgedichten‘ war für mich ein erstes, nicht unbedeutendes Signal für deutsch-deutsche Kooperation im Wendejahr, herausgegeben von den Verlagen Enzyklopädie/Leipzig und Langenscheidt/Berlin und München. Auf welcher Ebene auch immer, Rößler hat sich beharrlich – wie auch ich – für dieses Unternehmen eingesetzt, was besonders vonnöten war, als durch die Aufnahme zweier Gedichte von Wolf Biermann das Projekt ernsthaft zu scheitern drohte.

Wenn man etwas über die Außenbeziehungen des Herder-Instituts sagen will, darf man die Leitstelle nicht übergehen, obwohl sie letztlich im Wesentlichen als Versorgungsagentur fungierte, eine Aufgabe, der die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aufopferungsvoll und kreativ nachkamen. Ihnen oblag die Versorgung der Deutschlektoren im Ausland mit den notwendigen Lehr- und Lernmaterialien, mit landeskundlichen Materialien, Informationsmaterialien, technischen Ausrüstungen, aber auch mit entsprechenden belletristischen Werken, selbstredend besonders mit DDR-Gegenwartsliteratur. Sie war im Ausland durchaus gefragt, vor allem dann, wenn bestimmte Werke nicht oder nur schwer zu haben waren, Bückware also. Die Leitstelle machte es möglich. Sie wurde auch aus diesem Grunde von den Auslandslektoren sehr geschätzt. Man wurde aufmerksam gemacht auf Neuerscheinungen, bekam Literaturempfehlungen, wurde auch gelegentlich gezielt befragt nach Einsatzmöglichkeiten, aber die notwendige und gezielte Bedarfs- und Wirkungsforschung und den von den Lektoren geforderten Erfahrungsaustausch zu organisieren, dazu war sie weder in der Lage noch – denke ich – war das seitens des MHF angezielt. Wenn dies punktuell gelang, dann nur über die jährlich stattfindenden Auslandslektorentagungen, bei denen die Vertreter der Leitstelle aber mehr als Handlanger der Arbeitsgruppe Deutsch als Fremdsprache agierten, deren – allerdings vom Herder-Institut bezahlten – Außenstelle sie ja auch waren. Die Situation der Leitstelle verbesserte sich auch nicht wesentlich mit der Bestallung eines stellv. Direktors für Internationale Beziehungen, der gewissermaßen über der Leitstelle unter Dr. Rudolf Stöber thronte und der im Ausland schon gar nicht wahrgenommen wurde.

Die Bezeichnung Leitstelle suggeriert für den Außenstehenden, dass diese Stelle integrierter Bestandteil des Leitinstituts war, doch war sie das nur äußerst bedingt, wie das Herder-Institut nur in bestimmten Bereichen Leitfunktionen ausübte. Dazu hätte es eine gezielte Forschungs- und Entwicklungsarbeit unter Einbeziehung der Auslandslektoren geben müssen. Diese notwendige Arbeit war auch nicht allein vom Herder-Institut zu leisten, sondern nur in Kooperation mit anderen Einrichtungen, die sich mit DaF beschäftigten. Auch in diesem Punkt standen Reformen an. Ich vermute mal, dass dem Herder-Institut hinsichtlich der Gestaltung seiner internationalen Beziehungen mehr Selbständigkeit und Eigenverantwortlichkeit gegeben werden sollte. Ich erinnere mich noch gut an eine Sitzung im MHF zu Fragen der Weiterentwicklung von DaF im Frühjahr 1989, in der eine Reihe von diskussionswürdigen, z.T. ausgereiften Vorschlägen gemacht wurde, u. a. auch zur Auslandsarbeit des Herder-Instituts. Es war schon die Zeit angebrochen, in der Kollege Dr. Helmut Hofmann vom Institut für Weiterbildung ausländischer Deutschlehrer in Brandenburg während der Sitzung unter dem Tisch Rolf Henrichs „Der vormundschaftliche Staat“ ungestört lesen konnte und es mir am Ende der Sitzung für den Abend in Berlin auslieh. Noch nicht von Henrichs Schrift beeinflusst, höre ich mich sagen: Reformen da unten sind unabweisbar, keine Frage, sie sind aber bei euch oben  ebenso unabdingbar.

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  1. Inge Jank permalink
    Februar 15, 2011

    Stichwort: Leitstelle

    Die Kollegen, die dort arbeiteten, leisteten oft einen effektiven Beitrag zu den Erfolgen, die Auslandslektoren in den verschiedensten Ländern hatten. Wir waren zum Beispiel in verschiedenen Ländern, in Angola, Ungarn und Portugal und hatten naturgemäß die unterschiedlichsten Aufgaben zu bewältigen. Ein Beispiel aus unserer Arbeit in Angola soll belegen, was zu der Leitstelle gesagt wurde.
    In Angola wurde nach der Unabhängigkeit des Landes ein “Nationales Sprachinstitut” eröffnet, das auch Abteilungen für Fremdsprachen umfasste. (Hauptaufgabe des Instituts sollte die Erforschung der verschiedenen Nationalsprachen des Landes und die Schaffung derer Schriftsprachen sein.) Sehr aktiv war eine jugoslawische Delegation am Institut, die für alle Fremdsprachen ein “audiovisuell-globalstrukturiertes” Lehrmaterial identischen Inhalts und eine sogenannte “Suvag-Lingua”, eine Maschine zur phonetischen Schulung verkaufte. Da dieses Material natürlich in keiner Weise unseren Vorstellungen von einem vernünftigen Fremdsprachenunterricht entsprach, weigerten wir uns dagegen und erklärten, dass wir ein eigenes entsprechendes Material hätten – und der Leitstelle gelang es, uns das gesamte audio-visuelle Material von “Guten Tag, Berlin” (von Kollegen und Kolleginnen der Humboldt-Universität Berlin erarbeitet) innerhalb einer Woche zur Verfügung zu stellen.
    Dieses Lehrmaterial setzten wir in der Anfangsphase des Unterrichts ein, ergänzten es später nach unseren eigenen Vorstellungen.
    Als in einer der ersten Unterrichtsstunden unangekündigt die angolanische Direktorin des Instituts mit dem angolanischen Bildungsminister Lukuki bei mir erschien, um zu hospitieren, hatten wir gewonnen und konnten nach eigenem Material arbeiten. Den Orden “Banner der Arbeit”, den unser Cheflektor Dr. Hans- Georg Jank für unsere gemeinsame Arbeit erhielt, war also zum Teil auch den Kollegen der Leitstelle zu verdanken.
    Genau so, wie diesen Kollegen, die zum Teil gar nicht mehr leben, sollte vielleicht auch anderen mit unseren Beiträgen so etwas wie ein kleines Denkmal gesetzt werden. Und vielleicht können wir auf diesem Wege ein bisschen dazu beitragen.

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